Kampf gegen Selecta-MaschineDas «Scheusal von Hottingen» kommt weg
Monatelang kämpften Anwohnerinnen und Anwohner im Kreis 7 gegen einen Verkaufsautomaten. Er beschäftigte sogar die Politik.

Der weiss-rote Selecta-Automat neben der VBZ-Tramhaltestelle Römerhof sieht austauschbar aus. Sein Angebot – Chips, Twix, Cola – scheint harmlos. Und doch hat der Automat mit der Objektnummer 327755 in den letzten Wochen einen grossen Teil Hottingens aufgebracht.
Nun wird er bald abtransportiert. Wie Erkundigungen dieser Zeitung bei der Selecta-Gruppe und bei den VBZ ergeben haben, soll das «Scheusal vom Römerhof», wie der Automat im Quartier auch genannt wird, im Laufe der nächsten Woche entfernt werden. «Die VBZ nehmen die Vielzahl von negativen Rückmeldungen aus der Bevölkerung ernst. Wir schliessen daraus, dass das entsprechende Bedürfnis im Quartier geringer ist als angenommen», sagt Leo Herrmann, Mediensprecher der VBZ auf Anfrage.
Wie kam es zu diesem Entscheid?
Teil des neu gestalteten Platzes
Im Mai meldete sich der Quartierverein Hottingen erstmals bei dieser Zeitung und berichtete vom neusten Aufreger. Auf dem für mehrere Millionen Franken aufgewerteten und umgebauten Römerhofplatz störte der Selecta-Automat in diesem Stadtteil viele Bewohnerinnen und Bewohner.
Künstlerin Anna Graber kennt die Bedenken. Sie wohnt am Römerhofplatz und hat den Kampf gegen den Automaten begleitet. «Unter Quartierleben verstehen die Leute auf dem neu gestalteten Platz etwas anderes als eine Kommerzialisierung», sagt sie. «Der Automat dominiert den Platz ». Graber ist Initiantin des Projektes «Dorfplatz Römerhof». Dieses findet im Rahmen der Stadtidee statt, einem Ideenwettbewerb der Stadt Zürich.
Ende Mai hat Graber an einem «Dorfplatzwochenende» am Römerhofplatz mit den Quartierbewohnerinnen und -Bewohnern über Wünsche und Ideen für den neugestalteten Platz gesprochen. Für viele war der Automat nicht nur ein optisches Ärgernis. Er konkurrenzierte offenbar auch den von einer Familie geführten Kiosk bei der nahen Haltestelle zum Dolderbähnli.
Ein Snackverführer und ein Fussgängerproblem
Eltern nervten sich zudem darüber, dass der 24-Stunden-Shop «die Kinder auf dem Schulweg zu ungesunden Einkäufen» verführe, wie auf der Website des Quartiervereins Hottingen zu lesen ist. Der Automat steht nahe dem Aufgang zum Schulhaus Ilgen. Und da er gegenüber von einem Fussgängerstreifen an der Tramlinie liegt, hielten einige den Selecta-Kasten sogar aus verkehrstechnischen Gründen für bedenklich.
Ende Mai initiierte eine Anwohnerin eine Unterschriftensammlung, Anna Graber unterstützte sie. Bis Mitte dieser Woche sind 307 Unterschriften zusammengekommen. Die Petition wurde am Mittwochnachmittag in Oerlikon, wo der Gemeinderat tagte, an Stadtrat Michael Baumer übergeben.
Nicht nur die Quartierbevölkerung war wegen des Automaten aktiv geworden. Schon im Januar beschäftigten sich Politiker damit. Etwa Gemeinderat Mischa Schiwow (AL), der auch Mitglied des Quartiervereins Hottingen ist.

Der Römerhofplatz mit dem Eingang zur Dolderbahn und dem Schulhaus Ilgen (links).
Er hat mit Ann-Catherine Nabholz (GLP) und Urs Helfenstein (SP) im Gemeinderat eine schriftliche Anfrage zur Platzierung und Bewilligung der Selecta-Maschine eingereicht. Das Angebot entspreche «den Bedürfnissen von Kundinnen und Kunden auf ihrer Reise mit den VBZ», hiess es ein paar Wochen später in der schriftlichen Antwort des Stadtrates. Allerdings stand dort auch, dass das Tiefbauamt den Standort des Automaten «aus gesamträumlicher Sicht» überprüfe.
Entscheid nicht durchgedrungen
Jetzt hat der Wind gedreht, die Objektnummer 327755 kommt weg. Rätselhaft bleibt allerdings, warum das Petitionskomitee zum Zeitpunkt der Petitionsabgabe am Mittwoch noch nichts davon wusste. Zumal bei Selecta und den VBZ bereits Anfang Woche klar war, dass der Selecta-Automat demontiert wird.
Bisher ist diese Nachricht nicht zu den Betroffenen durchgedrungen. Auch Mischa Schiwow wusste bisher nichts davon.
In den letzten Monaten sei der Selecta-Automat immer wieder Thema im Rat gewesen, sagt Schiwow, «man hat mich deshalb auch belächelt». Tatsächlich kann man sich fragen, ob es in Hottingen keine wichtigeren Themen gibt. Trotzdem, sagt Schiwow, stecke in dieser Geschichte mehr als ein Luxusproblem. «Es geht darum, wie man mit einem Platz umgeht und wie man öffentlichen Raum gestaltet. Der Selecta-Automat war hier nie ein Mehrwert.»
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