«Das sind Zustände wie in einem Gefängnis»
In Ungarn werden Flüchtlinge in Zukunft in geschlossenen Lagern untergebracht. Osteuropa-Korrespondent Bernhard Odehnal erläutert diese jüngste Massnahme.

Was genau hat heute das ungarische Parlament beschlossen?
Die Abgeordneten haben sich mit grosser Mehrheit dafür ausgesprochen, dass Flüchtlinge in sogenannten Anhaltezentren an der Grenze bleiben müssen. Ins Landesinnere werden sie ab sofort nicht mehr gelassen.
Wie war die Praxis der ungarischen Behörden bisher?
Bisher gab es Transitzentren an der Grenze zu Serbien. Von deren Insassen durften täglich etwa zwanzig einen Asylantrag stellen, vor allem Kranke und Frauen mit Kindern. Sie wurden in eines der Flüchtlingslager im Landesinneren gebracht und durften die Lager auch verlassen. In Körmend wurden sie teilweise sogar aufgefordert, über die österreichische Grenze zu gehen, worüber sich die Österreicher mehrmals beklagt haben. Diese Einrichtungen werden nun geschlossen. Stattdessen gibt es nur noch die Anhaltezentren an der Grenze, in denen die Leute bleiben und die Bearbeitung ihres Asylantrages abwarten müssen.
Sie befinden sich also faktisch in einem Gefängnis.
Ja, das kann man so sagen. Die Menschen essen und schlafen in Containern und dürfen die Lager nicht verlassen. Das sind sicher Zustände, die an ein Gefängnis erinnern. Ungarn steht mit dieser Politik allerdings nicht alleine. In Tschechien werden Flüchtlinge schon seit längerer Zeit in alten Kasernen eingesperrt.
Und wie lange müssen die Flüchtlinge in den Lagern ausharren?
Die Bearbeitung eines Antrages kann Wochen oder auch mehrere Monate dauern. Die Behörden versprechen zwar, die Entscheide nun schneller zu fällen, aber ob dies zutrifft, wird sich erst noch zeigen. In Ungarn werden ohnehin nur noch Anträge von bestimmten Gruppen angenommen. Allein reisende Männer haben keine Chance, überhaupt einen Antrag zu stellen.
Wie reagiert die ungarische Öffentlichkeit auf die neue Massnahme?
Ungarische und internationale Menschenrechtsorganisationen protestieren, und laut dem UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR verstösst Ungarn gegen internationales Recht und gegen EU-Recht. Als besonders störend empfinden es die Menschenrechtler, dass auch Kinder in den Anhaltezentren eingesperrt sind. Eine breite Protestbewegung in der ungarischen Öffentlichkeit gibt es hingegen nicht. Ein wachsender Teil der Bevölkerung wird tendenziell immer apolitischer, zieht sich ins Private zurück und will mit solchen Fragen möglichst wenig zu tun haben.
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