Das Unwort des Jahres
Mitten in der heftigen Debatte über Armutsmigration in der EU setzen Sprachwissenschaftler mit der Wahl des «Unwort des Jahres» ein Zeichen.

«Sozialtourismus» ist in Deutschland das Unwort des Jahres 2013. In der Diskussion um die Zuwanderung sei von einigen Politikern und Medien mit diesem Ausdruck «gezielt Stimmung gegen unerwünschte Zuwanderer, insbesondere aus Osteuropa», gemacht worden, begründete die Jury heute ihre Entscheidung.
«Das Grundwort 'Tourismus' suggeriert in Verdrehung der offenkundigen Tatsachen eine dem Vergnügen und der Erholung dienende Reisetätigkeit», erklärten die Sprachforscher. Das Wort «Sozial» reduziere die damit gemeinte Zuwanderung auf das Ziel, vom deutschen Sozialsystem zu profitieren. Dies diskriminiere Menschen, «die aus purer Not in Deutschland eine bessere Zukunft suchen, und verschleiert ihr prinzipielles Recht hierzu».
Seit zwei Jahrzehnten wird das Unwort erkoren
Das Unwort des Jahres wird seit 1991 von einer unabhängigen Jury aus Sprachwissenschaftlern ausgewählt. Die Aktion soll den Blick auf «sachlich unangemessene oder inhumane Formulierungen» lenken. Zum «Unwort des Jahres 2012» war «Opfer-Abo» gewählt worden, 2011 «Döner-Morde». Die Jury erhielt in diesem Jahr insgesamt 1340 Einsendungen mit 746 verschiedenen Wörtern. Die häufigsten Einsendungen, die den Kriterien entsprachen, waren «Supergrundrecht» (45 Mal), «Homo-Ehe» (19 Mal), «Ausschliesseritis» (16 Mal) und «Armutszuwanderung/-einwanderung» (15 Mal).
Der Jury gehörte in diesem Jahr auch der Schriftsteller Ingo Schulze an. Schulze wählte die Bezeichnungen «Arbeitnehmer/Arbeitgeber» zu seinem persönlichen Unwort des Jahres. Von der grundlegenden Bedeutung von Arbeit als Leistung ausgehend verkehre das Wortpaar in dramatischer Weise die tatsächlichen Verhältnisse, erklärte der Autor. «Wer die Arbeit leistet, gibt, verkauft, wird zum Arbeitnehmer degradiert - wer sie nimmt, bezahlt und von ihr profitiert, zum Arbeitgeber erhoben», begründete Schulze seine Wahl.
AFP/ldc
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