«Das verheisst nichts Gutes»
Warum legen die Grünen in Bayern derart zu? Wie schlimm stehts um die SPD? Und was passiert in Berlin? Fragen an den Spitzen-Grünen Anton Hofreiter.

Anton Hofreiter, 48, stammt aus der Gemeinde Sauerlach bei München und ist gemeinsam mit Katrin Göring-Eckardt Fraktionschef der Grünen im Bundestag. Am Sonntag hat er mit seinen Parteifreunden in Bayern den Ausgang der Landtagswahl verfolgt – und bejubelt. Schliesslich sind die Grünen im Freistaat nun so stark wie nie. Im Interview spricht er über den Wahlkampf und wie es nach dessen Erfahrungen auf Bundesebene in Berlin weitergeht.
Herr Hofreiter, offensichtlich sind viele bisherige CSU-Wähler zu den Grünen gewechselt. Wie erklären Sie sich diese Wählerwanderung?
In den vergangenen Wochen haben mir viele Leute berichtet, wie unanständig sie das Verhalten von Horst Seehofer gegenüber der Kanzlerin fanden. Andere regten sich über die Art und Weise auf, wie die CSU mit geflüchteten Menschen umgeht. Es gab Pfarrer, die mir erzählten, aus der CSU ausgetreten zu sein, weil es so nicht weitergehen könne. Bei vielen Menschen hat sich die Gewissheit breit gemacht: Nein, das ist nicht mehr unser Bayern, so woll'ma des ned.
Aber warum sind CSU-Enttäuschte ausgerechnet zu den Grünen gekommen?
Weil wir für Respekt im Umgang miteinander stehen. Wir haben für eine Politik geworben, die Mut macht statt Angst. Damit waren wir die Alternative zur CSU. Das hat natürlich in erster Linie unser grossartiges Spitzenduo Katharina Schulze und Ludwig Hartmann sehr glaubwürdig verkörpert. Dazu kam ein unglaublicher Einsatz der vielen Ehrenamtlichen. Und natürlich hat der Dürre-Sommer allen vor Augen geführt, dass die Klima-Krise auch im Freistaat Bayern angekommen ist und eben wir Grünen es sind, die konsequent für den Schutz unserer Lebensgrundlagen eintreten.
Sie profitieren auch von der Schwäche der SPD.
Die SPD hat ein Problem. Sie hat ihre Rolle in der Gegenwart noch nicht gefunden. Die Partei ist in vielen Themen tief gespalten: War es richtig in die grosse Koalition zu gehen? Was ist die richtige Haltung in der Flüchtlingspolitik? Und dann war da noch der seltsame Umgang mit dem Fall Maassen.
Haben Sie Mitleid mit der SPD?
Ich kenne und schätze viele der politisch Engagierten in der bayerischen Sozialdemokratie und da fühlt man natürlich mit. Aber die SPD wird sich entscheiden müssen, wohin sie will, sonst kann sie kein glaubwürdiges Profil entwickeln. Das zu analysieren und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen, ist aber Aufgabe der SPD selbst.
Finden Sie Markus Söder eigentlich sympathisch?
Ach, darum geht es doch gar nicht. Wenn Sie nach einer möglichen Zusammenarbeit fragen, kennen Sie unsere Antwort: «Mit uns kann man über ein ökologisches, weltoffenes und gerechtes Bayern sprechen ...
... aber nicht über eine autoritäre und anti-europäische Politik.» Diesen Satz habe ich von Grünen in den vergangenen Monaten in verschiedenen Versionen x-fach gehört. Haben Sie das gemeinsam im Seminar eingeübt?
Nein, das ist einfach unsere Einstellung. Und für diese ziehen wir gemeinsam an einem Strang. Wir sind uns einig und haben ein klares Profil – das ist doch genau das, was Union und SPD fehlt.
Wäre es von der CSU mutig, mit den Grünen zu koalieren statt mit den Freien Wählern?
Es wäre mutig, wenn die CSU sich trauen würde, einen echten Politikwechsel zu vollziehen. Sie könnte zum Beispiel klar und konstruktiv proeuropäisch agieren. Es gibt im Übrigen schon länger Kommunen, wo CSUler und Grüne zusammenarbeiten. Wir haben etwa im Landkreis München eine solche Kooperation. Die bayerischen Kommunen haben Hunderttausende Geflüchtete aufgenommen und versorgt. Darum verstehe ich schlichtweg nicht, warum die CSU-Staatsregierung diesen Einsatz der unzähligen Ehrenamtlichen nicht laut und deutlich gelobt hat. Man kann doch stolz darauf sein, was hier in Bayern geschafft wurde.
Söder hat den Einsatz der Bayern während der Flüchtlingskrise in den vergangenen Wahlkampf-Wochen hervorgehoben.
Aber eben erst jetzt. Drei Jahre hat er dafür gebraucht, und ausserdem ist das natürlich unglaubwürdig, wenn er kurz davor noch von «Asyltourismus» spricht und wochenlang zündelt. Für ihren unverantwortlichen Kurs der Spaltung haben Söder und Seehofer jetzt die Quittung bekommen. Allerdings mache ich mir Sorgen, wie es in Berlin weitergeht.
Was könnte in Berlin passieren?
Ich mache mir Sorgen um die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung. Ich rechne nicht damit, dass der Streit aufhört. Im Gegenteil: CDU, CSU und SPD werden nur noch nervöser agieren, und damit werden die Blockaden noch grösser. Das verheisst nichts Gutes. Dabei steht so viel an: Man müsste die Eurozone stabilisieren, denn die nächste Finanzkrise kommt sonst bestimmt. Es muss dringend ernst gemacht werden mit dem Klimaschutz und wir müssen uns kümmern um die Zukunft des transatlantischen Verhältnisses wie auch um den Umgang mit dem autoritären und immer mächtiger werdenden China. Wie gehen wir mit unseren südlichen Nachbarn um? Wann hören wir endlich auf, Waffen an hochproblematische Staaten wie Saudiarabien zu verkaufen? Viele wichtige Themen liegen auf dem Tisch und müssten angegangen werden. Doch die Regierung hat keine Kraft. Sie zerbrach ja schon fast an der Frage, wie man mit einem Verfassungsschutzpräsidenten umgeht, der wirres Zeug daherredet.
Letzte Frage: Wer bleibt länger im Amt – Verfassungsschutzpräsident Maassen oder Innenminister Seehofer?
Ich glaube, dass der CSU der Mut für einen schnellen Neuanfang fehlt. Sowohl in Bayern, als auch in Berlin. Es würde mich nicht wundern, wenn sie die Fragen nach einem Personal- und Kurswechsel erstmal aussitzen.
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