Film-Highlights der WocheDas Videoex ehrt eine Zürcher Regisseurin
Anka Schmid ist zu Gast am Filmfestival. Dazu empfehlen wir «Für immer Sonntag», eine Doku übers Pensioniertwerden, und die Science-Fiction-Serie «Night Sky».

Videoex

Wir sehen eine Reihe von Frauen und Männern mit nacktem Oberkörper. Auf ihrer Haut wachsen Herzen, sie werden von ihnen umflogen wie von einem Vogelschwarm, und manchmal geben sie ein Herz weiter. Dazu singt Umberto Tozzi seine Schnulze «Ti amo». «Herzens-Freude» (1986) ist ein Videoclip aus den 80ern, eine witzige kleine Bildergeschichte über die Liebe.
Die Zürcher Regisseurin Anka Schmid drehte den Kurzfilm während ihres Studiums an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin. Heute ist sie bekannt für Filme wie «Wild Women – Gentle Beasts», eine Doku über Dompteurinnen und ihre Tiere. Oder «Haarig», eine animierte Kulturgeschichte der menschlichen Körperbehaarung. Dieses Jahr steht die Filmemacherin im Schweiz-Fokus des Videoex. Das Festival für Videokunst und Experimentalfilm zeigt ein Best-of von Schmids Kurzfilmschaffen.
Um die Liebe gehts auch in «Hierig – heutig». Der Hierig ist ein traditioneller Tanz aus dem Appenzell, der pantomimisch die Höhen und Tiefen einer Ehe darstellt. Schmid hat ein Tanzpaar genommen und gefilmt. Geschnitten ist das wie ein Musikvideo, und der Soundtrack stammt nicht – wie traditionell vorgesehen – von einer Ländlerkapelle, sondern von Boris Blank, der einen Hälfte von Yello.
Videoex hat weitere Gäste eingeladen, zudem laufen in der Reihe Arab Wave alte und aktuelle Werke aus Algerien, Tunesien, Ägypten und Libanon. Dazu gibts wie immer ein internationales und ein Schweizer Wettbewerbsprogramm. (ggs)
Videoex: Sa 21.5.–So 29.5., Zeughausareal
CH-Fokus Anka Schmid: So 22.5., 19.30 Uhr/Di 24.5., 19.30 Uhr, Cinema Z3; in Anwesenheit der Regisseurin
Für immer Sonntag
Dokumentarfilm von Steven Vit, CH 2022, 86 Min.
«Dann wird es halt ein Film über jemanden, der nichts zu erzählen hat.» Rudy Vit hat gerade ein bisschen genug von den löchernden Fragen seines Sohnes. Was löst die Pensionierung in ihm aus? Wie hat er seine Kindheit in Kanada erlebt? Steven Vit will alles wissen, sein Vater ist eher pragmatischer Natur und kein Mann der grossen Worte. Diese Kombination sorgt im vielschichtigen Dokumentarfilm «Für immer Sonntag» immer wieder für absurde Situationskomik.
Der Berner Filmemacher Steven Vit nimmt den bevorstehenden Ruhestand seines Vaters als Ausgangspunkt für seinen ersten Langfilm. Er begleitet ihn mit der Kamera auf seiner letzten Geschäftsreise nach Asien, lauscht den angespannten Gesprächen zwischen seinen Eltern am Küchentisch und reist nach Kanada, wo Rudy aufgewachsen ist. Der charismatische Selfmademan arbeitete sein Leben lang für die gleiche Firma, war oft auf Geschäftsreise und selten zu Hause. Doch Vits Film ist weder Abrechnung noch Nabelschau. Es ist eine berührende und persönliche Momentaufnahme einer neuen Lebensphase. Ein Film über ein Thema, das uns früher oder später alle betrifft. (sas)
Houdini
6 días en Barcelona
Komödie von Neus Ballús, E 2021, 85 Min.
Auch Menschen, die mit ihrem Leben zufrieden sein könnten, finden irgendwo noch eine Person, auf der sie herumhacken können. So einer ist der Klempner Valero. Den Marokkaner Moha – kurz für Mohamed – staucht er erst mal zusammen, weil er einen Namen falsch ausspricht. Bei den Kunden der kleinen Spenglereifirma in Barcelona ist Moha allerdings beliebter als Valero.
Die Geschichte der 42-jährigen katalanischen Regisseurin Neus Ballús ist denkbar unspektakulär – sechs Tage im Leben der Installateure –, aber es steckt viel drin von den Ressentiments und den Ungleichheiten in Europa. Der Vater der Regisseurin war selbst Klempner, entsprechend hat sie ihren Film mit echten Handwerkern besetzt: Mohamed Mellali und Valero Escolar, die 2021 in Locarno als beste Darsteller ausgezeichnet wurden. (blu)
Arthouse Piccadilly
Night Sky
Science-Fiction-Serie von Holden Miller und Daniel C. Connolly, USA 2022, 8 Folgen
Irene (Sissy Spacek) und Franklin (J. K. Simmons) haben ein Geheimnis: In ihrem Gartenschuppen liegt der Eingang zu einem Schacht; dieser führt zu einer hoch entwickelten Maschine unter der Erde. Es handelt sich dabei um eine Art Wurmloch-Portal, das mit einer fremden Welt verbunden ist.
Von der Endstation aus hat man einen wunderbaren Ausblick auf die ausserirdische Landschaft. Um sich die anzuschauen, unternimmt das Paar fast täglich den interstellaren Trip. Aber der neue Nachbar und die eigene Enkeltochter kommen ihnen allmählich auf die Schliche. Und eines Tages finden sie in der Maschine einen jungen verletzten Mann.
«Night Sky» ist ein Science-Fiction-Mystery nach klassischen Mustern, Serienschöpfer Holden Miller ist geschickt darin, die Spannung hochzuhalten. Und seine Figuren sind sympathisch. Das Ganze erinnert an die besseren Geschichten von Stephen King – was dazu passt, weil Sissy Spacek einst mit der «Carrie»-Verfilmung berühmt wurde. Ihr und J. K. Simmons sieht man gern zu. (ggs)
Ab Fr 20.5., auf Amazon Prime Video
Basic Instinct
Thriller von Paul Verhoeven, USA 1992, 127 Min.
In der Programmschiene «Test of Time» zeigt das Xenix Filmklassiker und stellt die Frage: Haben sie der Zeit standgehalten? «Basic Instinct» bietet sicher Gesprächsstoff: Der Erotikthriller dreht sich um Sharon Stone in der Rolle einer skrupellosen Femme fatale. Im Anschluss an die Vorführung gibts eine Podiumsdiskussion mit Filmexpertinnen und Filmexperten. (ggs)
Do 19.5., 18 Uhr, Xenix
Die unterbrochene Spur

Dokumentarfilm von Mathias Knauer, CH 1982, 144 Min.
Dieser Dokumentarfilm erzählt von den Verfolgten und Flüchtenden, die von 1933 bis 1945 in die Schweiz kamen und versuchten, von hier aus den Kampf gegen den Faschismus weiterzuführen. Viele von ihnen lebten noch, als «Die unterbrochene Spur» gefilmt wurde, und erzählten aus erster Hand. So entstand ein Film über das Handwerk der Widerstandsarbeit. Zu sehen ist die digital restaurierte Fassung. Die Vorführung findet in Anwesenheit des Regisseurs Mathias Knauer statt. (ggs)
Sa 21.5., 17.30 Uhr, Kosmos
Gregor Schenker ist seit 2012 Filmredaktor im Ressort Zürich Leben. Er hat in Zürich Germanistik, Filmwissenschaft und Psychologie studiert.
Mehr Infos@GregorSchenkerPascal Blum hat Soziologie und Geschichte studiert und ist seit 2014 Kulturredaktor. Er hat ein Buchkapitel über Heidi im Film geschrieben.
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