«Das war frustrierend»
Nach «Jackie» kommt ein weiteres Biopic des Chilenen Pablo Larraín ins Kino. Er hat versucht, den Nobelpreisträger Neruda zu erfassen.

Was hat Sie an einem Dichterporträt gereizt?
Sicher nicht der Dichter als solcher. Pablo Neruda war grossartig, aber über seine Kunst hätte ich niemals einen Film drehen können.
Sondern?
Neruda hatte viele Seiten, die man nicht unbedingt kennt. Er war ein Sammler, seine Häuser waren von seinen Reisen aus aller Welt vollgestopft mit Gegenständen und Kunstwerken. Er war ein grosser Leser, verschlang Krimis. Er liebte Frauen und Weine. Für uns in Chile verkörpert er eine eigene Welt. Wenn man «Nerudiano» sagt, versteht jeder, was gemeint ist.
Aber auch das ist noch kein Filmthema.
Nein. Ich las alle Biografien über ihn, ich las die meisten seiner Werke und wusste immer noch nicht, wer er war. Es ist fast unmöglich, ihm eine Etikette umzuhängen. Das war frustrierend. Aber es ermöglicht einem auch viele Freiheiten. Ich sagte mir: Nun gut, erfassen kann ich ihn sowieso nicht, darum lass mich mit ihm spielen.
Was heisst spielen?
Als er den Nobelpreis bekam, hielt er eine wundervolle Rede. Er beschreibt darin die Zeit, in der er von der Polizei durchs Land gejagt wurde und schliesslich in den Bergen nach Argentinien floh, auf einem Pferd. Am Ende fügte er hinzu: «Ich weiss nicht, ob ich das schreibend erfunden habe, ob ich es erlebt oder ob ich es geträumt habe.» Damit konnte ich arbeiten.
Neruda wird im Film von einem Polizisten verfolgt.
Ich glaube, dieser Mann ist er selber. Es gibt ihn nicht. Neruda ist ja hochberühmt für seine Liebesgedichte. Aber wir wollten uns eher mit seiner dunklen Seite befassen. Diese verkörpert dieser Polizist.
Ihr Film erinnert an einen Western.
Es gibt Elemente davon, mit der Landschaft und der Musik. Aber der Western durfte nicht zu edel sein. Ich erinnere mich, wie wir das Pferd für den Polizisten aussuchten. Ein Spezialist kam vorbei und präsentierte uns all seine prächtigen Tiere. Vor dem Gehege aber stand jemand mit einem abgehalfterten Gaul, halb Esel, halb Pferd. Genau den wollte ich, der passte perfekt zu Gael García Bernal in der Polizistenrolle. Der ist ja schon schön genug.
Sie drehen oft mit dem mexikanischen Star. Er sagte kürzlich, er möchte einmal in einem Film von Ihnen mitspielen, in dem er ein Mobiltelefon benutzen kann.
Stimmt. «Neruda» ist mein vierter historischer Film. Ich kann offensichtlich nicht einfach in ein Studio gehen, die Kamera aufstellen und eine zeitgenössische Geschichte erzählen. Immer jagen mich Geister der Vergangenheit.
Das trifft auch auf Ihren USA-Film «Jackie» zu, der gerade im Kino läuft.
Eben. Doch dort sind es wenigstens andere Geister als diejenigen von Chile.
Könnten Sie auch einen Film über den Diktator Pinochet drehen, der in fast jedem Ihrer Filme präsent ist?
Ich habe daran gedacht. Aber wenn ich einen Film über jemanden drehe, muss ich ihn verstehen. Das kann ich bei Pinochet nicht, will es gar nicht versuchen. Er hat so viel Schaden angerichtet, ich hasse ihn zutiefst. Ich könnte höchstens einen Hassfilm drehen.
Das kann doch auch ein Motor sein.
Vielleicht, aber Hass ist nicht das, womit ich arbeite. Liebe ist besser. Und totale Hingabe ist das Beste für einen Film.
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