
Sharon Stone hatte genug gehört. Jetzt brauchte es Taten. Mitten in einer Debatte über Armut in Afrika stand der Hollywoodstar auf und rief in den Saal: «Ich spende 10'000 Dollar für Moskitonetze. Wer macht mit?» Das war am Weltwirtschaftsforum 2005, als auch andere Showgrössen wie Angelina Jolie, Peter Gabriel und – natürlich! – Bono durch den Davoser Schnee stapften.
Das WEF – das haben Schauspielerinnen und Rockstars schon vor Jahren erkannt – ist die perfekte Bühne für eine publikumswirksame Selbstinszenierung. Als Get-together für verantwortungsbewusste Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft konzipiert, werden im Bündner Skiort auch nächste Woche wieder rund 3000 Gäste nach gemeinsamen Lösungen für eine bessere Welt suchen. Dabei geht es aber immer auch um das eigene Geschäft, das eigene Ich.
Der prominenteste Teilnehmer am 48. WEF passt da gar nicht so schlecht zum Programm. US-Präsident Donald Trump ist auch nach einem Jahr im Amt ein Vermarkter seiner selbst geblieben. Er versteht Politik als Business mit Showeffekt. Auslandreisen, das zeigt exemplarisch sein Staatsbesuch bei den Saudis, nutzt er mit Vorliebe für den Abschluss von milliardenschweren Geschäften.
Seinen offiziellen WEF-Auftritt als Schlussredner am kommenden Freitag dürfte Trump allerdings als Antithese zur Globalisierung inszenieren: «America First» ist die Antwort des US-Präsidenten auf das kollektive Versagen der Erfolgreichen und Gebildeten im Umgang mit den Folgen der Globalisierung. Trump macht sich zunutze, was die meisten WEF-Teilnehmer jahrelang übersehen haben: dass die Globalisierung auch Verlierer schafft.
Unverbesserlicher Idealist
WEF-Gründer Klaus Schwab weiss um dieses Versäumnis und plädiert heute für eine andere Globalisierung. Und dennoch verschätzt und überschätzt er sich. Einmal mehr. Schwab versucht, die ganze Welt in seinen Dialog über eine bessere Welt einzubinden – und schreckt dabei auch nicht vor gezielter Anbiederei zurück. Selbst gegenüber Populisten gibt sich der Idealist aufgeschlossen. Wenn diese dann – wie vor neun Jahren der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan – andere Länder des Mordes bezichtigen und danach polternd die Bühne verlassen, versucht Schwab, die Wogen sofort zu glätten. Man reagiert bedrückt. Was hatte man sich denn erhofft? Was erhofft sich Schwab von Trump?
Video - «Donald Trump ist unverzichtbar»
Klaus Schwab erklärt, weshalb es den US-Präsidenten am WEF braucht. Video: SDA/Tamedia
In den nächsten Tagen werden in Davos rund 70 Staats- und Regierungschefs empfangen. Mit Trump, der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, der britischen Premierministerin Theresa May, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Kanadas Premier Justin Trudeau und Italiens Amtsinhaber Paolo Gentiloni werden sechs G-7-Leader erwartet – so viele wie noch nie.
Auch die Schweiz wird mit fünf Bundesräten vertreten sein. Und obwohl zu befürchten ist, dass sich der viel gepriesene «Geist von Davos» einmal mehr in theatralischen Auftritten, unverbindlichen Willensäusserungen und schwer verständlichem Management-Slang erschöpfen wird: Für das Gastland ist das Spitzentreffen trotz Sicherheitskosten von 9,5 Millionen Franken ein willkommener Anlass, sich als weltoffener Konferenz- und Kurort in Szene zu setzen. Das WEF verleiht der Schweiz etwas Glamour.
Unter dem Strich stehen dem enormen Engagement von Schwab und der Schweiz über all die Jahre jedoch nur wenige politische Erfolge gegenüber. 1988 unterzeichneten Griechenland und die Türkei die «Davos Declaration», die für Entspannung im Zypernkonflikt sorgte. Ein Jahr später fand zwischen Nord- und Südkorea das erste Treffen auf Ministerebene statt. Als historisch gelten auch die Gespräche zwischen Kanzler Helmut Kohl und DDR-Ministerpräsident Hans Modrow über Deutschlands Wiedervereinigung kurz nach dem Mauerfall. Am WEF 1992 traten Südafrikas Präsident Frederik Willem de Klerk und Nelson Mandela erstmals gemeinsam im Ausland auf. Und 1994 einigten sich Israelis und Palästinenser auf einen Vertragsentwurf für Gaza und Jericho. In Erinnerung bleibt von Davos aber meist nur die Show. Über die Jahre hat sich der Eindruck verfestigt, dass Schwab zwar grosse Verdienste als Geschäftsmann hat und auch die richtigen Fragen stellt, die konkreten Antworten aber ausbleiben. Das WEF dient der Netzwerkpflege – viel mehr ist da nicht.
«Bonzen im Schnee»
Ein Treffen von «Bonzen im Schnee» hat U2-Sänger Bono das Weltwirtschaftsforum einst verächtlich genannt – und reiste doch selber regelmässig nach Davos. Nach dem Bekanntwerden seiner Offshore-Investitionen fehlt der vermeintliche Weltverbesserer dieses Jahr. Dafür wird Schauspielerin Cate Blanchett für ihr Engagement in der Flüchtlingskrise geehrt und Rocklegende Elton John für den Kampf gegen HIV.
Immer wieder wurden am WEF auch selbst Initiativen zur Bekämpfung von Armut und Krankheiten lanciert. Entwicklungsexperte William Easterly sieht solche Engagements kritisch: Aus der Ferne würden utopische, aber wenig praktikable Pläne für eine bessere Welt entwickelt, ohne zu erkennen, was tatsächlich gebraucht werde. In seinem Buch «Wir retten die Welt zu Tode» fordert der streitbare US-Ökonom stattdessen mehr konkrete Massnahmen vor Ort.
Moskitonetze in Afrika beispielsweise. Doch auch Filmstar Stone verschätzte sich. Zwar versprachen ihr die WEF-Teilnehmer im Saal nach ihrem emotionalen Ausruf per Handzeichen insgesamt 1 Million Dollar. Nach dem Panel hatte manch ein Spender seine Zusage aber rasch vergessen. Das WEF musste zu Hilfe eilen und den Betrag ergänzen. Die Moskitonetze konkurrenzierten in Tansania die lokalen Anbieter. Weil das Land mit Moskitonetzen überschwemmt wurde, verwendeten sie die Bevölkerung auch zum Fischen – und setzten damit die Händler von Fischereiartikeln vor Ort unter Druck. Die Show von Stone war gut. Das Resultat ein Resultat der Selbstüberschätzung.
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Das WEF überschätzt sich
WEF-Gründer Klaus Schwab geht bis zur Anbiederei, um alle in seinen Dialog über eine bessere Welt einzubinden. Übrig bleibt oft nur Show.