
Ein beschaulicher Trainingsauftakt sieht anders aus. Am Montagnachmittag die Unterschrift unter den Dreijahresvertrag mit Lugano in der Villa Sassa, am Dienstag der erste Arbeitstag. Ein Footing mit dem Team um 7.30 Uhr, die erste Einheit auf dem Rasen um 10 Uhr, eine zweite um 17 Uhr, private Besorgungen, ein Abendessen mit Teamkollegen. «Ich hatte viel um die Ohren», schreibt David Da Costa am späten Abend, nun wäre er aber zum Gespräch bereit.
Der Stress ist verständlich, dass er so spät noch reden mag, überrascht eher. Seine innere Uhr ist noch auf Indonesien programmiert, zwei Tage zuvor planschte die ganze Familie auf Bali am Strand. Dann konkretisierte sich das Interesse aus dem Südtessin. «Meine Frau hatte etwas weniger Freude, dass wir die Ferien abbrachen», sagt Da Costa und schmunzelt. «Aber sie weiss ja, dass sie mit einem Profifussballer verheiratet ist.»
Nichts ist in diesem Metier so gewiss wie die Unstetigkeit, das hatten die Da Costas 2015 erlebt. Am 1. April gab der FC Zürich bekannt, es gebe eine Neustrukturierung auf der Goalieposition. Übersetzt: Führungsspieler und Publikumsliebling Da Costa war nicht mehr Stammkraft, er wurde auf und neben dem Spielfeld degradiert.
Im Sommer dann der Transfer zu Novara. Und der Beginn von zwei sehr positiven Jahren: 79 Spiele absolvierte Da Costa für den Club aus dem oberen Mittelfeld, 28-mal spielte er zu null. Seine wahre Bedeutung zeigt aber ein Fakt fernab aller Statistiken. In der zweiten Saison war er Captain; in der «Liga der Italiener», wie die Serie B genannt wird, kommt das selten vor.
Fast mehr im Hotel als zu Hause
«Ich bin gewachsen als Mensch und als Fussballer», sagt Da Costa. «In vielen Bereichen habe ich Neuland erlebt, und jetzt kehre ich mit vollem Rucksack zurück.» Wie viel grösser das Fussballland Italien im Vergleich zur Schweiz ist, war überall spürbar: In der Vorbereitung auf die Saison und auf die Spiele, mit vielen Nächten im Hotel. «Im April war ich etwa sieben Tage zu Hause.» Dauert in der Super League der längste Auswärtstrip zweieinhalb Stunden, erfolgte die Anreise an Orte südlich von Rom nun per Hochgeschwindigkeitszug oder Flugzeug.
Der Verzicht auf die Wohlfühloase Schweiz war für ihn kein Problem, im Gegenteil: «Ich habe mich sehr wohl gefühlt, alles wird viel intensiver gelebt.» Da Costa wäre gerne geblieben, vor einem Jahr war sein Vertrag vorzeitig bis 2018 verlängert worden. Dann beschlossen die Verantwortlichen aber, künftig auf Ersatzgoalie Lorenzo Montipo zu setzen, 21 Jahre alt und ein Sohn der Stadt. Viele Fans waren traurig, Da Costa sieht es realistisch: «So ist das Business.»
Geblieben sind viele schöne Erinnerungen aus einem Land, wo die Goalieposition einen riesigen Stellenwert hat. Zwei Spiele sind unvergesslich: «Am 12. September 2015 hatten wir ein Auswärtsspiel in Crotone, ganz unten im Land. Zwei Stunden nach Spielschluss hat meine Frau ohne mich unsere Tochter geboren. Und ein 4:3 im Playoff-Viertelfinal in Bari. Wir führten 3:0, sie glichen aus, uns gelang in der 120. Minute das 4:3.»
«Für alle ein offenes Ohr»
Heiss ging es in jener Partie zu und her, ganz nach dem Gusto des schweizerisch-portugiesischen Doppelbürgers. Auf begeisterungsfähige Fans freut er sich auch nun am Fusse des Monte Bré: «Ich habe schon als Gegner immer gerne in Lugano gespielt.» Mit seinen Leistungen will der 31-Jährige ein Vorbild sein, daneben auch seine Erfahrung weitergeben. So, wie man es von ihm kennt: «Ich helfe gerne und habe für alle ein offenes Ohr. Das zählt zu meinem Profil.» Er weiss, es wird eine schwierige Saison mit der Doppelbelastung Meisterschaft/Europa League und ohne die transferbereiten Alioski und Sadiku. «Wir wollen einfach eine gute Falle machen», bleibt Da Costa unverbindlich.
Am letzten September-Wochenende steht dann ein besonders emotionaler Moment an. Er kehrt mit Lugano in den Letzigrund zurück, wird vor jener Südkurve auflaufen, in der er einst die Spiele verfolgte und die ihn später lange Jahre verehrte. Freunde und Familie werden im Stadion sein, eine Zusatzmotivation braucht Da Costa garantiert nicht. Darauf angesprochen, lacht er nur und sagt: «Ich bin Profi, ich freue mich auf dieses Spiel, so, wie ich mich auf alle Spiele freue.»
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Degradiert, dann Captain, nun zurück
FCZ-Liebling David Da Costa wechselt nach zwei erfüllenden Saisons bei Novara in der italienischen Serie B zu Lugano.