Den Haag spricht Karadzic in einem Punkt frei
Das UNO-Kriegsverbrechertribunal liess den Anklagepunkt des Völkermords in bosnischen Gemeinden fallen. Für diesen Vorwurf gegen Radovan Karadzic gebe es nicht ausreichend Beweise.

Mehr als zweieinhalb Jahre nach Beginn des Prozesses gegen Radovan Karadzic hat der frühere bosnische Serbenführer einen juristischen Etappensieg errungen. Der UNO- Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) sprach Karadzic in einem Fall vom Vorwurf des Völkermordes frei. Die Anklage habe nicht genug Beweise vorgelegt, dass es sich bei der Vertreibung und Tötung von muslimischen Bosniern und Kroaten Anfang der Neunzigerjahre um Völkermord gehandelt habe, erklärte der Vorsitzende Richter Oh-Gon Kwon zur Begründung.
Zehn weitere Anklagepunkte zu Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Bosnien-Kriegs (1992-95) blieben allerdings bestehen. Unter anderem muss sich der 67-Jährige wegen des Massakers an muslimischen Jungen und Männern 1995 in Srebrenica verantworten.
Verfahren im Herbst fortgesetzt
Das UNO-Tribunal entschied wiederholt, dass es sich bei dem Massaker von Srebrenica um Völkermord handelte. Für Tötungen in bosnischen Ortschaften zu Beginn des Krieges wurde bisher noch nie ein Angeklagter wegen Völkermordes verurteilt.
Das Verfahren zu den restlichen Anklagepunkten wird in der zweiten Jahreshälfte fortgesetzt; die Beweisaufnahme der Verteidigung durch Karadzic ist ab dem 16. Oktober vorgesehen. Im Fall einer Verurteilung droht ihm lebenslange Haft.
13 Jahre lang versteckt
Karadzic muss sich seit Oktober 2009 vor dem Haager Tribunal verantworten. Er war im Juli 2008 in der serbischen Hauptstadt Belgrad gefasst worden, nachdem er sich 13 Jahre lang versteckt gehalten hatte. Vor zwei Wochen forderte Karadzic in Den Haag seinen Freispruch in allen elf Anklagepunkten.
Insgesamt starben im Bosnien-Krieg etwa 100'000 Menschen. Rund 2,2 Millionen Menschen wurden obdachlos. Allein bei dem als Völkermord eingestuften Massaker von Srebrenica vom Juli 1995 wurden etwa 8000 muslimische Jungen und Männer verschleppt und getötet.
Seselj erneut verurteilt
Am Donnerstag verurteilte das UNO-Tribunal in Den Haag auch erneut den serbischen Ultranationalisten Vojislav Seselj wegen Missachtung des Gerichts. Der ebenfalls wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagte 57-Jährige wurde zu zwei Jahren Haft verurteilt. Er habe vertrauliche Informationen über geschützte Zeugen veröffentlicht, befand das Gericht. Die Informationen fänden sich auf seiner Internetseite, Seselj habe sie trotz Aufforderung durch das Gericht nicht entfernt.
Es ist bereits das dritte Mal, dass er wegen Missachtung des Gerichts verurteilt wurde. Im Juli 2009 war er zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt worden, nachdem er die Identität von drei geschützten Zeugen preisgegeben hatte. Im Oktober letzten Jahres bekam er 18 Monate Haft, weil er in einem Buch vorsätzlich Informationen über zehn geschützte Zeugen veröffentlichte.
Im Hauptverfahren in Den Haag muss sich Seselj seit 2006 unter anderem wegen Verbrechen in Bosnien und Kroatien während der Jugoslawien-Kriege zwischen 1991 und 1993 verantworten. Die Anklage fordert 28 Jahre Haft für Seselj, der sich in Den Haag selbst verteidigt.
AFP/kpn
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