Geldberater: Der Marktschrei(b)erDen Trennungsschmerz hat Alcon überwunden
Emmis Ziegenmilchprodukte kommen an +++ Feintool spürt die hohen Stahlpreise +++ Geberit hält das Wachstumstempo hoch +++ Bei Gurit ist nach der Party Flaute.

Alcon: Kaufen
Endlich hellt sich die Sicht auf. Alcon hat Quartalszahlen abgeliefert, die erheblich über der Marktprognose lagen und den etwas holprigen Start ins Jahr vergessen liessen. Der Aktienkurs des auf Augenbehandlung ausgerichteten Konzerns sprang Mitte Woche denn auch zehn Prozent in die Höhe – nicht alltäglich für einen Wert, der im Swiss-Market-Index der Schwergewichte gehandelt wird. Doch offenbar war die Skepsis unter Anlegern gross gewesen, ob es Alcon endlich auf die Reihe kriegen würde. Mehr als zwei Jahre ist es her, seit der ursprünglich in Texas gegründete, aber heute von Genf aus geführte Konzern von Novartis abgekoppelt wurde. Der Trennungsprozess, kompliziert vor allem wegen der IT-Systeme, ist erst seit wenigen Monaten abgeschlossen. Nun kann Alcon die ganze Energie auf die Zukunft konzentrieren. Zudem zeigt sich immer klarer, dass die forcierten Investitionen in die Entwicklung frischer Produkte Früchte tragen. Ich denke, in zwei bis drei Jahren wird das Unternehmen voll aufblühen. Investoren sollten mit Engagements nicht derart lange zuwarten. Kaufen
Emmi: Dosiert kaufen
Bei Emmi stimmt gerade einiges. Die Luzerner Milch-Gigantin ist gut in Form, wie die Halbjahreszahlen zeigen. Umsatz und Gewinn überzeugen gleichermassen. Starke Marken wie Caffè Latte und lukrative Nischen wie Ziegenmilchprodukte kommen gut an: Das sind Folgen cleveren Marketings und einer umsichtigen Expansionsstrategie. Einzig im Hauptmarkt Schweiz und mit klassischen Molkereiprodukten harzt der Absatz. Nach dem Corona-bedingten Rekordsemester im Vorjahr, als Milch, Rahm und Butter für die heimische Küche sehr gefragt waren, ist es jetzt wieder gewohnt anspruchsvoll, die Umsätze in der Schweiz zu halten. Emmi erntet die Früchte der guten Arbeit und ist auf gutem Weg zu einem starken Jahresresultat. Laufen die erhöhten Kosten für Verpackung Logistik nicht komplett aus dem Ruder, kann ich mir gut vorstellen, dass Emmi die eigenen Gewinnziele sogar übertrifft. Es kann aber sein, dass die höheren Kosten im Supermarkt sichtbar werden. Mir gefallen die Aktien trotz neuen Höchstständen bei über 1000 Franken weiterhin. Dosiert kaufen
Feintool: Dosiert kaufen
Feintool gehört zur Gruppe der Hidden Champions – kleine, kaum bekannte Firmen, die ihren jeweiligen Markt dominieren. Im Fall von Feintool sind das Feinschneid-Presssysteme sowie präzise Feinschneid- und Umformteile, vor allem für den Automobilsektor. Als dritte Technologie beherrscht die Industriegruppe das Elektroblechstanzen. Die Elektrobleche braucht es für Elektromotoren. Die Abhängigkeit vom Automobilsektor hat Feintool letztes Jahr erheblich leiden lassen. Doch die Erholung ist gut verlaufen. Der Semesterbericht lässt sich sehen, der Ausblick spiegelt Zuversicht, wenn auch nicht nur: Der Halbleitermangel bremst die Autoproduktion, dazu kommen Knappheit und kräftige Preiserhöhungen beim Stahl. Meines Erachtens sind diese Risiken im Aktienkurs jedoch reichlich eingepreist. Die Bewertung ist entsprechend moderat. Zusammen mit der Erwartung, dass besagte Erschwernisse nicht ewig anhalten, und der guten Nachfrage nach Automobilen macht das Feintool zu einer reizvollen Small-Cap-Beimischung fürs Portfolio. Dosiert kaufen
Geberit: Kaufen
Geberit ist Europas führender Sanitärtechniker und macht mir Freude. Nach einem Blitzstart im ersten Quartal mit einem Umsatzplus von 14 Prozent hat Geberit das hohe Anfangstempo noch gesteigert und meldet für das erste Halbjahr einen Zuwachs von 25 Prozent auf 1,8 Milliarden Franken. Das Unternehmen, dessen Erzeugnisse in den Badezimmern der Welt zu Hause sind, weitet sein Geschäft mit neuen Produkten stetig aus, wobei es sowohl vom Neubau als auch von Renovierungen profitiert. Gleichzeitig verbessert Geberit laufend die Effizienz. Die Margen liegen auf einem für ein Industrieunternehmen ausgesprochen hohen Niveau. Im ersten Halbjahr erreichte die Marge auf dem Betriebsgewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) sensationelle 34 Prozent. Es ist schwierig, ein Haar in der Suppe zu finden. Die hohen Rohmaterialpreise sind ein solches. Im laufenden dritten Quartal sollen diese weitere sechs Prozent zulegen, was die Marge für das Gesamtjahr belasten wird. Der anhaltenden Kursfantasie tut das aber keinen Abbruch. Kaufen
Gurit: Kaufen
Ernüchterung bei Gurit. Der Windenergiezulieferer hat vergangene Woche rund zehn Prozent an Börsenwert verloren. Dass die Halbjahreszahlen deutlich unter jenen des Vorjahres sein werden, war schon länger klar. 2020 war ein absolutes Rekordjahr, das sich nicht so schnell wiederholen wird. Grund für den Rückschritt ist der Umstand, dass in China ein Förderregime ausgelaufen ist. Nach der Party folgt im laufenden Jahr die Flaute, die Gurit, welche rund 80 Prozent des Umsatzes in der Windenergiebranche erzielt, besonders zu schaffen macht. Bis anhin war vom Übergangsjahr 2021 die Rede, neuerdings spricht das Management von einer Übergangsperiode. Das ist aber kein Grund, die Segel zu streichen. Die Wachstumsaussichten bleiben sehr gut, und zwar gerade in derzeit lahmenden Märkten wie China. Auch das Reich der Mitte will dereinst klimaneutral sein, und Peking traue ich zu, den schönen Worten Taten folgen zu lassen – was der Windenergie in China wieder reichlich Schub geben wird. Noch nicht in diesem Jahr, aber schon im nächsten könnte es wieder stürmisch zu- und hergehen, und dann wird auch Gurit wieder wachsen. Kaufen
Diese Kolumne wird von den Redaktorinnen und Redaktoren der «Finanz und Wirtschaft» verfasst. Sie haben sich verpflichtet, nicht in den entsprechenden Titeln aktiv zu sein. Wer die Tipps dieser Kolumne umsetzt, tut das auf eigenes Risiko. Die SonntagsZeitung übernimmt keine Verantwortung. Weitere Artikel der «Finanz und Wirtschaft» finden Sie unter www.fuw.ch
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