Depeche Mode spielten Zürich in Trance
Ein Konzert mit der Wucht eines Gewitters. Depeche Mode spielten eine tanzbare, schwer euphorisierende Show.
Lange hat es gestern nicht gedauert, bis eine gewisse Betriebstemperatur erreicht war. Schon beim vierten Stück, «A Pain that I'm Used To» vom Album «Playing The Angel», gespielt in der schnellen Remix-Version von Jacques Lu Cont, tanzen die Zuschauer im vollen Letzigrund bereits bis weit in die hinteren Reihen. Es war zu diesem Zeitpunkt schon deutlich: die Band ist nicht gekommen, um ein Programm herunterzuspielen. Dave Gahan, Martin Gore und Andy Fletcher, vervollständigt zur Live-Band mit Drummer Christian Eigner und Keyboarder Peter Gordeno, sind an diesem Sommerabend angetreten, zu begeistern.
Man hat ja einen Steigerungslauf erwarten können von einer Band, die seit mehr als 30 Jahren weltweit Stadien füllt und deren Anhäufung an Pophits bemerkenswert ist. Nach einem etwas schleppenden Start mit den neuen Stücken «Going Backwards» und «So Much Love» des neuen, düster geratenen Album «Spirit», wusssten die Zuschauer natürlich, was sie weiterhin zu erwarten hatten. Und Depeche Mode machten sich auch eiligst daran, diese Erwartungen zu erfüllen.
Dompteur der Massen
Mehr noch: Das, was man hier zu hören bekam, war eine Lektion darin, wie man ein Stadion in Trance spielt. Begonnen bei der Akustik: die Synthie-Flächen, besonders deutlich etwa bei der anrührenden Ballade «Cover Me», ebenfalls vom neuen Album, waren schneidend und glasklar zu hören selbst auf den Seitenrängen oder ganz hinten im Stadion. Die Basstrommel des Drummers Christian Eigner krachte so wuchtig wie ein Donner, selbst die technoiden («World in My Eyes») spielte er exakt und stets vorwärts drängend.
Dazu kam ein entspannter, verdammt attraktiv ausschauender Dave Gahan im leuchtend roten Jacquet, mit Schnäuzchen und in hochackigen Stiefeln, der seine Rolle als Dompteur der Massen mit einem Gespür für Theatralik vollführte. Durch seine zur Schau gestellte physische Präsenz riss der 55-Jährige nicht nur mit, er liess sich seinerseits auch tragen von den Zehntausenden, die jede seiner Regungen mit Jubel quittierten. Man schaut hier einer entspannt aufspielenden, routiniert ihr Repertoire phrasierenden Band zu. Das gilt besonders für Martin Gore, den genialen Songwriter an der Gitarre und Ruhepol der Band.
Das Stadion schmilzt zum ganz kleinen Ort
Als Depeche Mode nach knapp zwei Stunden, und noch vor dem Zugabenblock, das brachiale «Never Let Me Down Again» auf den grössten Hit der Band, «Enjoy The Silence» folgen lassen, ist der stimmungstechnische Gipfel erklommen. Erstes Stück zerdehnt die Band über fast zehn Minuten zu einer Dancefloor-Version, was genau richtig ist, zweites dann schliessen sie wie in einem DJ-Mix an dieses an. Fast so, als mochten sie die Intensität, die dieses Stadion nun ergriffen hat, um keinen Preis wieder hergeben; ja, zu diesem Zeitpunkt war dieser Ort mit seinen 30 000 euphorisierten Fans für einen Moment zu einem heimeligen Kabäuschen zusammengeschrumpft. Es konnte einem kalt den Rücken hinunter laufen.
Es war ein grandioses Konzert.
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