Der alte Mann und der verlorene Kompass der Angela Merkel
Die Kanzlerin und ihr Aussenminister kontern den Angriff von Ex-Kanzler und CDU-Ikone Helmut Kohl auf ihre Aussenpolitik. Dieser hatte sich mit markigen Worten in den politischen Alltag eingemischt.

Die Ablehnung des Irak-Kriegs 2003, der Alleingang beim Atomausstieg, die Enthaltung zur Libyen-Intervention im UNO-Sicherheitsrat: All das habe dazu geführt, dass Deutschland «schon seit Jahren keine berechenbare Grösse mehr» sei – «weder nach innen noch nach aussen». Der dies moniert, ist kein Geringerer als der ehemalige CDU-Bundeskanzler Helmut Kohl. In einem Interview mit der Fachzeitschrift «Internationale Politik» wirft der Alt-Kanzler der Regierung von Kanzlerin Angela Merkel fehlenden «Führungs- und Gestaltungswillen» vor – ohne seine politische Ziehtochter jedoch beim Namen zu nennen. Deutschland, so der 81-Jährige, habe seinen aussenpolitischen Kompass verloren, die Bundesrepublik sei vom Kurs als verlässlicher Bündnispartner abgekommen.
«Wenn ich (…) die Entwicklung der vergangenen Jahre betrachte (…), dann frage ich mich schon, wo Deutschland heute eigentlich steht und wo es hin will», zeigt er sich besorgt. Und diese Fragen, so Kohl, stelle nicht nur er sich, sondern «auch unsere Freunde und Verbündeten im Ausland». Sorgen bereitet Kohl etwa, dass US-Präsident Obama bei seinem letzten Europa-Besuch Deutschland ausgelassen habe: «Wir müssen aufpassen, dass wir nicht alles verspielen.»
«Jede Zeit hat ihre Herausforderungen»
Angela Merkel reagierte zurückhaltend, aber inhaltlich eindeutig auf die Kritik des CDU-Übervaters. «Die Verdienste Helmut Kohls als Kanzler der deutschen Einheit und der europäischen Einigung sind nicht hoch genug einzuschätzen», zitierte sie gestern die «Süddeutsche Zeitung» in ihrer gedruckten Ausgabe. Aber: «Jede Zeit hat ihre spezifischen Herausforderungen.» Ihre Regierung arbeite daran, «die Herausforderungen unserer Zeit zusammen mit unseren Partnern in Europa und der Welt entschlossen zu meistern».
Schärfer wehrte sich Aussenminister Guido Westerwelle. Es entstehe derzeit eine «neue Weltarchitektur» mit neuen Playern. «Wir müssen als ein Exportland, als ein Land, das von der internationalen Vernetzung lebt, auch zu diesen neuen Kraftzentren strategische Partnerschaften schmieden. Das hat nichts damit zu tun, dass wir nicht unsere Bündnispartner kennen würden», zitiert ihn «Die Zeit». Es sei nicht nur entscheidend, «alte Partnerschaften» zu pflegen, sondern auch «die neuen Kraftzentren der Welt ernst zu nehmen und neue strategische Partnerschaften aufzubauen». Indirekt kann der Konter von Merkel und Westerwelle auch so verstanden werden: Kohl ist ein alter Mann, der für seine Zeit wichtig war. Aber heute sind wir in der Weltgeschichte ein paar Seiten weiter.
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