Der anspruchsvolle Handyfilmer
Stefan Klameth war einer der ersten Videojournalisten von TeleZüri. Danach startete er seine eigene Produktionsfirma. Heute zeigt er in Kursen, wie man die Filmkamera durch das iPhone ersetzt.

Stefan Klameth kramt sein iPhone aus der Hosentasche, wischt mit dem Zeigefinger über den Bildschirm und grinst. «Es ist so simpel. Das beherrscht jeder innert kurzer Zeit», sagt er. Recherchieren, filmen, schneiden. Fertig ist der Film aus der Hosentasche, bereit für die Veröffentlichung auf Facebook oder Youtube. Das alles von A bis Z auf einem Smartphone zu erledigen, lernen Klameths Kursteilnehmer in einem Tag.
Seit eineinhalb Jahren gibt Stefan Klameth solche Kurse. Zusammen mit Daniel Wagner hat er in der Schweiz diese Nische entdeckt, ein Businessmodell aufgestellt und die Firma Smovie Film gegründet. Smovie? Das ist ein Kurzfilm, der ausschliesslich mit dem Smartphone aufgenommen wird und nicht viel länger als eine Minute dauert. Smovies zeichnen sich durch packende Storys, spezielle Perspektiven und schnelle Schnitte aus. Das Geschäft läuft gut, die Workshops des Handyfilm-Gurus Klameth sind oft ausgebucht.
Nicht nur Private, sondern auch immer mehr Firmen kommen auf den Geschmack von Handyfilmen. Unter Klameths Smovie-Referenzen befinden sich Kunden wie das Schweizer Nationalmuseum, Zürich Tourismus, die Flughafen Zürich AG, die Stadtpolizei Zürich und Swisscom. Es sind Organisationen und Unternehmen, die für ihre Werbekampagnen nicht mehr teure Filmproduktionen realisieren, sondern Smovies einsetzen. «Das Handy als Filmkamera ist toll. Damit ist ein unverkrampfter, spielerischer Umgang möglich, der ganz neue Möglichkeiten eröffnet», sagt Klameth.
Roger Schawinskis Befehl
Der 47-Jährige ist in Zürich kein unbeschriebenes Blatt. Sein Bekanntheitsgrad sei in den vergangenen Jahren aber gesunken, wie er feststellt. «Ab und zu werde ich auf der Strasse noch erkannt und angesprochen.» Er meint damit seine Zeit als Videojournalist (VJ) bei TeleZüri. Nach abgebrochenem Biologiestudium landete er 1994 bei Roger Schawinskis Lokalfernsehen. Es war die Gründerzeit des Zürcher Senders. Klameths blonde Haarmähne und sein breites Züritüütsch wurden schnell zu seinem Markenzeichen. Schawinski habe sich zwar an seiner Haarpracht gestört, und «mit der Zeit befahl er mir sogar, einen Rossschwanz zu tragen», erinnert er sich. Aber das seien Nebensächlichkeiten gewesen. Die Aufbruchstimmung habe es ausgemacht.
«Wir waren jung, zum Teil fast übermotiviert, konnten Grenzen ausloten, Neues probieren.» Seine ehemalige TeleZüri-Kollegin Ivana Imoli sagt: «Stefan ist ein Perfektionist. Halbbatziges lässt er nicht gelten. Er schwimmt gerne gegen den Strom und geht zuweilen bewusst Risiken ein.» Für TeleZüri realisierte er in zweieinhalb Jahren rund 500 Beiträge. «Danach brauchte ich eine Auszeit», sagt Klameth. Er legte die Videokamera beiseite und reiste nach Spanien, arbeitete als Surflehrer. Zurück in der Schweiz, nach einem Abstecher zu Tele 24, heuerte Klameth bei TV3 an. Dort war er unter anderem als Chefredaktor für die drei Staffeln von «Expedition Robinson» verantwortlich. Das war damals die erste Reality-TV-Show in der Schweiz.
«Die dritte Staffel vergesse ich nie mehr», sagt Klameth. Es war 2001, mit einer 30-köpfigen Crew drehte er seit sechs Wochen bei 32 Grad im Schatten auf der Insel Palau Tengha in Malaysia. Da traf aus heiterem Himmel die Hiobsbotschaft aus Zürich ein: TV3 war pleite. «Wir wurden total überrascht. Das Aus war hart. Ich dachte sofort an die viele Arbeit, die in diesem Projekt steckte», sagt Klameth. Der Sender bestand allerdings darauf, dass die dritte «Robinson»-Staffel zu Ende gedreht und fertig geschnitten wurde. Ausgestrahlt wurde sie bis heute nicht.
Wirbelwind auf dem Set
Das Ende von TV 3 stellte für Stefan Klameth einen Einschnitt dar. «Ich wollte weg vom Medienkuchen, mich lockte die Selbstständigkeit.» Das hat er wohl auch in den Genen: Seine Eltern (Vater Thomas Klameth spielte 1952 den Geissenpeter im ersten Heidi-Film) führten viele Jahre lang ein Sport- und Modegeschäft in Küsnacht. Klameth gründete die Filmproduktionsfirma Klamedia im Seefeld und machte sich als Produzent und Regisseur landesweit einen Namen. Er realisierte TV-Formate wie «Big Brother», «Bauer, ledig, sucht» und «Der Match» mit Gilbert Gress und produzierte für Teleclub Liveübertragungen von Fussball- und Eishockeyspielen.
Claudia Lässer, Geschäftsführerin bei Teleclub, erinnert sich: «Stefan Klameth ist ein Wirbelwind. Er ist auf dem Set sehr präsent und hat ein unglaublich gutes Gespür für Menschen und Geschichten.» Silvan Grütter, früher mit Klameth bei TV3 tätig und heute Chefredaktor der «Coopzeitung»: «Im Fussball wäre Kläme der klassische Spielertrainer. Der Mann, der an der Aussenlinie denkt, lenkt und sich sofort selber einwechselt, wenn Not am Mann ist. Ohne Rücksicht auf Verluste. In den eigenen Reihen und in den Reihen der Gegner.»
Es war nur eine Frage der Zeit, bis das Ausland Interesse am einstigen Zürcher Videoreporter signalisierte. Für den deutschen Privatsender RTL realisiert er die Abenteuerserie «Peking Express», ein wildes Rennen von Moskau nach Peking. Klameth: «Die siebenwöchige Drehzeit war eine Herausforderung, aber genau das liebe ich an meiner Arbeit: Kein Tag ist wie der andere.»
«Meine Idee war ein fünftägiges Crossgolf-Rennen über Stock und Stein, vom Genfer- bis an den Bodensee.»
Das war auch bei seinem letzten aktuellen Format «Ready, Steady, Golf!» im September der Fall, wo jenes Team gewann, das nach sechs Etappen quer durch die Schweiz seinen Golfball zuerst im Bodensee versenkte. «Meine Idee war ein fünftägiges Crossgolf-Rennen über Stock und Stein, vom Genfer- bis an den Bodensee», sagt Klameth. Zu verfolgen war dieser Run täglich im Schweizer Fernsehen, auf Radio SRF 3 und im Internet als Livestream.
Mit seiner Firma Klamedia hat sich Stefan Klameth in den letzten Jahren zusehends auf Filmproduktionen für Unternehmen spezialisiert, beispielsweise für die Rega. Solche Projekte reizen ihn, weil er dabei die emotionale wie ästhetische Komponente ausloten kann. «Beim Rega-Imagefilm musste ich mich mit dem Schicksal anderer Menschen auseinandersetzen und ein bildgewaltiges Thema umsetzen», sagt Klameth. Er scheut aber auch vor politischen Aufträgen nicht zurück. Vor einigen Jahren hat er einen Spot für Blochers SVP realisiert. Er räumt ein, dass ein solches Engagement durchaus polarisieren könne. «Für mich hat der Auftrag gestimmt.» Zudem müsse er als Regisseur nicht zwingend gleicher Meinung sein wie sein Auftraggeber.
Bei Ronaldo und Messi
Im Laufe der vergangenen Jahre hatte Stefan Klameth schon viele Leute vor der Kameralinse, auch Berühmtheiten wie Bill Gates, den Dalai Lama oder Fussball-Superstars wie Cristiano Ronaldo und Lionel Messi. Schwierige Klientel? «Nein, Ronaldo zum Beispiel ist äusserst professionell und erschien bestens vorbereitet zum Dreh. Messi dagegen verhält sich anders. Der Mann lebt definitiv in einer eigenen Welt.»
Stefan Klameth hat es geschafft: Früher war er als Reporter für diverse TV-Stationen unterwegs, dann wechselte er in den Unterhaltungsbereich, und heute ist er mit seiner Firma seit über 15 Jahren selbstständig. «Ich ruhe mich nicht aus. Die Welt verändert sich rasend schnell», sagt er. Deshalb sitzt er mit Geschäftspartner Daniel Wagner wöchentlich zusammen und heckt neue Projekte aus. Er sei immer offen für Neues, aber auch froh, wenn er mal Zeit zum Kopfleeren und Ausspannen habe. «Ich tanke bei meiner Familie auf.» Zusammen mit seiner Frau und den drei Kindern wohnt er in Meisterrüte im Appenzellerland. Dass es ausgerechnet ihn, den Küsnachter Seebuben, einmal dorthin verschlagen würde, hätte er nie gedacht. «Es gefällt mir im Appenzellerland. Dort finde ich den wichtigen Ausgleich.» Da er beruflich oft mehrere Tage in Zürich zu tun habe, sei er ganz froh, wenn er in der Freizeit die Grossstadt hinter sich lassen könne.
Künftig möchte Klameth sein Repertoire in Sachen Handyfilme noch erweitern. «Ein Schweizer Film oder eine Serie à la Netflix, ausschliesslich mit einem Handy gefilmt, das wären für mich neue Herausforderungen.» Dafür brauche er aber noch die richtige Story. «Warten wir ab», sagt er und schaut auf die Uhr. Der nächste Drehtermin wartet.
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