Der Anti-Sarkozy
François Hollande geht bei der heutigen Stichwahl um die Präsidentschaftskandidatur der Sozialisten als Favorit ins Rennen. Er ist das pure Gegenteil von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy.
Er fährt mit dem Motorroller zur Arbeit und ist stolz darauf, möglichst normal zu leben. François Hollande verkörpert so ziemlich das Gegenteil dessen, wofür Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy steht: Glamour, Eitelkeit und gelegentlich einen Hang zur Effekthascherei. Nach vier Jahren Sarkozy scheinen viele Franzosen des quirligen Manns im Elysee-Palastes müde. Ausgerechnet Hollande, dem lange selbst viele seiner Genossen in der sozialistischen Partei einen Top-Posten nicht recht zugetraut haben, hat beste Chancen, ihn zu beerben.
Der 57-Jährige geht am Sonntag als klarer Favorit in die Stichwahl um die sozialistische Präsidentschaftskandidatur. In der ersten Runde besiegte er seine langjährige Lebensgefährtin Ségolène Royal, mit der er vier Kinder hat, geradezu spektakulär - sie erhielt unter zehn Prozent. Seine grösste Rivalin, Parteichefin Martine Aubry, schnitt um neun Punkte schlechter ab als er. Dennoch bleibt die Tochter des früheren EU-Kommissionspräsidenten Jacques Delors bis Sonntag gefährlich für Hollande.
Wahlempfehlung
Dieser kann allerdings vom Entscheid des Überraschungsdritten bei der ersten Wahlrunde, dem globalisierungskritischen Anwalt Arnaud Montebourg, profitieren. Montebourg machte am Freitag seine langerwartete Wahlempfehlung.
Er selbst werde für Hollande stimmen. Er stelle sich nicht hinter Hollande, erwarte sich von ihm jedoch bessere Chancen im Kampf um die Präsidentschaft, sagte Montebourg in einem Interview, das am Freitag auf der Website von «Le Monde» veröffentlicht wurde.
Der «französische Traum»
Politisch unterscheiden sich Aubry und Hollande nur wenig, beide gelten als gemässigte Sozialdemokraten. Allerdings ist Aubry kämpferischer und steht dem linken Lager der Partei näher als ihr Kontrahent. Hollande ist ein bekennender Fan des früheren Präsidenten und sozialistischen Übervaters François Mitterrand: «Ihm habe ich meine politische Geburt zu verdanken», sagte Hollande einmal über seinen Mentor.
Der Abgeordnete aus dem ländlichen Departement Correze wirbt in seinem Wahlkampf mit der Verwirklichung eines «französischen Traums»: Er will die Staatsverschuldung bis 2017 auf Null senken, die Chancen für die kommende Generation verbessern und das Steuersystem reformieren.
Auch einen kleinen Ausflug in den Populismus gestattet sich Hollande in seiner Kampagne: Er kündigte an, 60'000 neue Lehrerstellen zu schaffen, um die drastischen Stellenkürzungen im Bildungssektor unter Sarkozy aufzufangen. Die Frage der Finanzierung bleibt angesichts der Schuldenkrise, die Frankreich hart trifft, unklar.
Chirac würde Hollande wählen
Hollande stand elf Jahre lang an der Spitze der Sozialisten, hat anders als seine Rivalin Aubry aber nie ein Regierungsamt inne gehabt. Gegner nennen ihn einen Apparatischik, der sich vom Parteisprecher zum Vorsitzenden hochgearbeitet hat. Hollandes Humor ist berühmt und wird gelegentlich verspottet, seine Schlagfertigkeit und sein scharfer Verstand sind gefürchtet.
Sollte sich Hollande am Sonntag gegen Aubry durchsetzen, hat er glänzende Aussichten auf das Präsidenten-Amt. Seit Monaten liegt er in Meinungsumfragen mit deutlichem Vorsprung vor Sarkozy. Und er hat Anhänger über die Parteigrenzen hinweg: Alt-Präsident Jacques Chirac hat zum Entsetzen Sarkozys bereits öffentlich bekundet, er würde Hollande wählen, sollte er kandidieren.
SDA/jak
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