Rangliste der SteueroasenDer beste Ort, um dubiose Gelder zu verstecken, sind die USA
Laut einer neuen Studie sind die USA das neue Paradies für Steuerhinterzieher. Die Schweiz macht in Sachen Transparenz Fortschritte, es bleiben aber Kritikpunkte.

Dem Schweizer Finanzplatz lastet mancherorts nach wie vor ein zweifelhafter Ruf an. So erhob kürzlich die staatliche amerikanische Helsinki-Kommission schwere Vorwürfe gegen die Schweiz. Sie leiste entscheidende Unterstützung für Wladimir Putins Regime, indem sie die Gelder der Oligarchen verschone.
Ein neuer Bericht der britischen Nichtregierungsorganisation Tax Justice Network zeigt aber: Die USA sind der beste Platz für Steuerflüchtlinge. Laut der Studie trage das Land am meisten dazu bei, dass Superreiche ihren Reichtum vor dem Fiskus verstecken können.
Biden stammt aus der Steueroase Delaware
Die unrühmliche Spitzenposition der USA sei darauf zurückzuführen, dass sich das Land weigere, die Steuerdaten mit den Behörden anderer Länder auszutauschen. Würden die USA dem Beispiel der Schweiz folgen und Bankdaten mittels des internationalen Informationsaustauschs weitergeben, würden sie ihre Punktzahl um 40 Prozent reduzieren – und lägen dann in etwa auf dem Niveau der Schweiz oder von anderen wichtigen Finanzplätzen.
Die Schweiz steht zwar immer noch auf Platz zwei der Rangliste. Sie erzielt in diesem Jahr (1167) aber ein deutlich besseres Ergebnis als noch vor zwei Jahren (1402 Punkte), als die Auswertung das letzte Mal publiziert wurde – sie hat sich also deutlich verbessert. Das liegt an der Art und Weise, wie der internationale Informationsaustausch umgesetzt wurde. Positiv ist zum Beispiel, dass die Schweiz Angaben zum Datenaustausch öffentlich zugänglich macht.
Die Schweizerische Bankiervereinigung nimmt die Rangliste zur Kenntnis, kommentiert sie aber nicht. Die Schweiz setze die internationalen Standards zur steuerlichen Transparenz und zur Geldwäschereibekämpfung konsequent um, teilt eine Sprecherin mit. «Das Geldwäscherei-Abwehrdispositiv wurde in der Schweiz in den vergangenen Jahren fortlaufend ausgebaut.» Wie allen teilnehmenden Staaten umfasse das Netz mit den der Datenaustausch stattfindet über 100 Länder und werde laufend erweitert.
Das Problem ist in den USA bekannt. Die US-Finanzministerin Janet Yellen sagte Ende des letzten Jahres, die USA seien «der beste Ort, um unrechtmässig erworbene Gewinne zu verstecken und zu waschen». Und: Die Bekämpfung der Korruption sei dringend.
US-Präsident Joe Biden hat Transparenzreformen zu einem Kern seiner Aussenpolitik gemacht und versprochen, gegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche vorzugehen. Pikant daran: Biden stammt selbst aus dem US-Bundesstaat Delaware, die dortigen Steuergesetze gelten als besonders lasch.
Passiert ist aber noch nichts. Laut dem Tax Justice Network fallen die USA daher im Vergleich zu anderen Staaten weiter zurück. Andere wichtige Wirtschaftsnationen haben sich ebenfalls verschlechtert. So kehrte Deutschland in die Top 10 der Steuerverstecke zurück, auch Japan ist im Index weiter aufgestiegen und liegt nun auf Platz 6.
Der Index berechnet sich aus 20 verschiedenen Kriterien. So will die NGO bestimmen können, wie transparent ein Finanzplatz ist. Dieser Wert wird dann multipliziert mit den Offshorevermögen, die dort verwaltet werden. Daraus ergibt sich, wie wichtig er für ausländische Kunden ist. Die USA haben in dieser Rangliste fast 2000 Punkte erzielt. Das sei in der dreizehnjährigen Geschichte der Rangliste die schlechteste jemals vergebene Note.
«Der Schweiz fehlen Gesetze für eine aktive Suche nach sanktionierten Vermögen russischer Oligarchen.»
Die Schweiz schneidet deutlich besser ab. Für Kritiker des hiesigen Finanzplatzes reicht das aber nicht. Dominik Gross, Finanzexperte bei der NGO Alliance Sud, sagt: «Es fehlen in der Schweiz die Gesetze, die den Behörden eine aktive Suche nach einem grossen Teil der sanktionierten Vermögen russischer Oligarchen ermöglichen.»
Die Schweiz setzt stattdessen auf eine Meldepflicht. Demnach muss jeder, der Kenntnisse von Vermögenswerten sanktionierter Russen hat, dem Staatssekretariat für Wirtschaft eine Meldung machen. Umstritten ist aber unter anderem, inwieweit Anwälte ebenfalls dieser Meldepflicht unterliegen.
Laut NGO Alliance Sud sei es ein Nachteil, dass die Schweiz mit vielen Entwicklungsländern keine Abkommen zum automatischen Informationsaustausch habe. Steuerhinterzieher aus diesen Ländern hätten auf Schweizer Banken nach wie vor kaum etwas zu befürchten. «Sie verstecken hier Geld vor dem Fiskus ihrer Heimatstaaten, die diese dringend im Kampf gegen die Nahrungsmittelkrise bräuchten, die der Ukraine-Krieg ausgelöst hat», sagt Gross.
Jorgos Brouzos ist seit 2015 Wirtschaftsjournalist bei Tamedia. Er berichtet hauptsächlich über den Schweizer Finanzplatz und den Rohstoffsektor. Er hat an der Universität Zürich Politikwissenschaften studiert.
Mehr Infos@jorgosbrouzosFehler gefunden?Jetzt melden.