
Es ist die vierthöchste Liga Deutschlands, es geht nicht um Bayern oder Dortmund, es sind Namen wie SV Babelsberg oder FSV Budissa Bautzen oder ZFC Meuselwitz. Dieser Verein hat auch, das weiss ich inzwischen, eine Cheerleading- und Kegelabteilung, aber ich weiss es nur, weil ich an einem bestimmten Namen interessiert bin. Ich verbinde Sport meistens mit Namen, die mir aus irgendeinem Grund etwas bedeuten, die meisten dahinter kenne ich gar nicht persönlich.
Diesen Namen kenne ich, und deshalb die Geschichte mit der deutschen Regionalliga Nordost, sie geht so: Es war eine andere Zeit damals, eigentlich gar nicht so lange her, 1998, Fussball-WM in Frankreich, und was heute undenkbar ist an einem Grossanlass, bei dem die Medien auf Distanz gehalten werden, war damals noch möglich, eine private Begegnung mit einem Spieler. Wir holten Jürgen Klinsmann im Hotel der deutschen Mannschaft in der Nähe von Nizza ab, er zwängte sich auf den Rücksitz des Mietautos, und wir fuhren hoch ins Dörfchen Haut-de-Cagnes. Auf dem Dorfplatz spielten alte Männer Pétanque und tranken Pastis, und im Restaurant Le Manoir wurde es ein langer Abend. Kurz vor Mitternacht fragte Klinsmann: «Hat eigentlich heute Abend nicht England gespielt?» Wir lachten, wir hatten über vieles gesprochen, aber kaum über Fussball.
Klinsmann in der Regionalliga Nordost
Das Turnier war der Abschied des Spielers Klinsmann. 34 war er, und er freute sich auf das neue Leben in Kalifornien. Er sprach von seinem Sohn Jonathan, der ein Jahr zuvor auf die Welt gekommen war, von seiner eigenen Kindheit, wie er erzogen wurde und wie sein Vater einmal eine Widmung in ein Buch schrieb, in dem der kleine Jürgen seine Ergebnisse und Tore notierte: «Ehrlich im Kampf, bescheiden im Sieg, neidlos in der Niederlage und sauber in Deiner Gesinnung.» «Der Bub», sagte Bäckermeister Siegfried jeweils, wenn er von Jürgen sprach, einem seiner 4 Söhne.
In diesen Tagen nun, 19 Jahre später, weilt Jürgen Klinsmann kurz in Berlin, «um nach dem Bub zu schauen». Sein Bub, Jonathan, ist jetzt 20, er versucht nicht, Tore zu schiessen wie sein Vater, sondern solche zu verhindern, er ist ein talentierter Torhüter, spielte schon in der amerikanischen U-20-Nationalmannschaft und durfte im Sommer bei Hertha Berlin ein Probetraining absolvieren. Er überzeugte, bekam einen Vertrag und spielt nun bei Hertha II, eben in der Regionalliga Nordost. Und am vergangenen Donnerstag sass er im Europa-League-Spiel gegen Luhansk gar auf der Bank. «One step at a time», mailte Klinsmann.
Von Los Angeles nach Berlin. Jürgen Klinsmanns erste Reise ging damals von Stuttgart nach Mailand. Er lieh sich einen kleinen Lieferwagen, fuhr alleine mit seinen alten Möbeln über die Alpen, und weil er nicht die nötigen Papiere hatte, hielten ihn die Zöllner auf, sahen im Pass den Namen – und strahlten: «Buongiorno, Signor Klinsmann.» Sie erkannten den neuen Star von Inter und wollten nur noch ein Autogramm. Auch diese Geschichte erzählte er damals im Le Manoir.
fredy.wettstein@tages-anzeiger.ch
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Der Bub im Tor
Wie Jürgen Klinsmanns Sohn gegen den SV Babelsberg und den FSV Budissa Bautzen um einen Platz in der Bundesliga kämpft.