Der Clan der Coiffeuse
Leila Trabelsi, die zweite Frau des gestürzten Herrschers Tunesiens, war die wahre Regentin im Land. Ihrer grossen Familie entging kein Geschäft.
Von Oliver Meiler, Marseille In manchen Villen hängen nur noch die Kronleuchter, die Reminiszenzen einer gefallenen Dynastie. Die Tunesier besuchen die luxuriösen Häuser der geschassten Herrscherfamilie, als wären es Museen. In Karthago, Sidi Bou Said, Hammamet, Sousse. Überall im Land. Nach der Flucht von Zine al-Abidine Ben Ali waren Plünderer in die Villen eingedrungen und nahmen mit, was Wert hatte. Einige Kronleuchter hingen wohl zu hoch. In einem Pool lagen danach Langusten und ein Lammkopf, von den Eindringlingen wohl im Kühlschrank gefunden. Die Plünderer brauchten nicht lange nach den Häusern zu suchen: Jeder Tunesier wusste stets, wo die Geschwister und Schwager, die Cousins und Nichten des Autokraten residierten. Sie versteckten sich ja auch nie, als sie noch an der Macht waren, sie zeigten ihren obszönen Reichtum nur allzu gerne. Im Garten einer der Villen stand noch der Käfig von Pacha, dem Tiger eines Schwiegersohns. Der soll jeden Tag mit vier Hühnern gefüttert worden sein. Noch so ein Symbol. Als wandelnde und verhasste Symbolfigur für die Arroganz des Regimes aber steht Leila Trabelsi, 53 Jahre alt, die zweite Ehefrau von Ben Ali (74). Sie war die Matriarchin der Familie, die Regentin im Haus. Aber nicht nur dort, wie jetzt deutlich wird. Der tunesische Übergangspremier Mohamed Ghannouchi, der schon unter Ben Ali regiert hatte und deshalb stark umstritten ist, sagte am Dienstag: «Man hatte den Eindruck, dass sie kommandierte.» Offenbar gab es gar einen Plan, Leila Trabelsi 2013 zur Präsidentin zu machen, zur Nachfolgerin ihres kranken Mannes. In den Strassen hingen zuletzt mehr Plakate, die das Herrscherpaar zusammen zeigten, als solche mit dem Präsidenten allein. Die Dame war darauf immer gut frisiert. Im Volk nennt man Leila Trabelsi, Tochter aus bescheidener Familie, auch «La Coiffeuse». Sie arbeitete in einem Salon in der Medina von Tunis, als sie in den Achtzigerjahren einen ambitionierten Offizier kennen lernte. Ben Ali war verheiratet, sie bereits geschieden. Ungeklärt ist, wo sie sich begegnet sind. Es gibt zwei Legenden dazu. Eine erzählt, die beiden hätten sich zum ersten Mal in einem Pariser Cabaret getroffen. Die andere basiert auf dem Gerücht, die junge Frau habe sich mit kleinen Schmuggelgeschäften etwas zusätzliches Geld verdient und sei verhaftet worden. Zum Verhör sei sie dann Ben Ali vorgeführt worden, der ihrem Charme erlegen sei. Plündernde Grossfamilie Sie führten ein Doppelleben. Ihre erste Tochter Nesrine kam in Brüssel zur Welt, da wusste noch niemand von der Liebe. 1992 heirateten sie. Ben Ali war schon seit fünf Jahren Präsident Tunesiens. Und so wurde «La Coiffeuse», die mittlerweile im Fernstudium und erstaunlich rasch einen Mittelschulabschluss und eine Anwaltslizenz erworben hatte, zur Première Dame. Vor allem aber brachte sie eine grosse Familie mit in die Ehe, die bald den alteingesessenen Clan aus Ben Alis erster Ehe verdrängte und alles an sich riss. Es begann die Ära, die der amerikanische Botschafter in Tunis in detaillierten Depeschen nach Washington als «quasimafiös» beschrieb. Die Familie plünderte das Land. Ihre Mitglieder besassen bald Beteiligungen in allen Sektoren der tunesischen Wirtschaft, kontrollierten Banken, Medienhäuser, Internetprovider, Telefongesellschaften, Flug- und Schiffshäfen, Transportunternehmen und Hotelketten. Wenn Staatsfirmen privatisiert wurden, fand sich immer ein Abnehmer in der Familie. Mehrere Milliarden Dollar soll der Clan so gescheffelt haben über die letzten Jahre. Einiges davon soll in Immobilien in Argentinien und Dubai, in Paris und an der Côte d'Azur geflossen sein. Nur legten sie ihre Güter offenbar geschickter an als afrikanische Potentaten vor ihnen: Noch gibt es keine gesicherten Informationen über Konten und Adressen. Dafür gibt es viele Informationen über die Machenschaften der Familie. Von ihren zehn Geschwistern machte sich zunächst vor allem Leilas Bruder Belhassen Trabelsi einen Namen. Keinen guten. Man nennt ihn auch den «Paten». Sein Aufstieg fing damit an, dass er unbebaubare Grundstücke kaufte, das Land dann dank seiner Verbindungen in Bauzone umwandeln liess und es wieder verkaufte – für ein Vielfaches. Es war ein sicheres Geschäft. Wer sein Land nicht verkaufen mochte, den zwang er. Seine zweite Einnahmequelle, die Lizenzen für den Import grosser Automarken, hielt ihm der mächtige Schwager zu. Dann kamen bald die Fluggesellschaft Karthago Airlines, eine Reihe vonHotels auf Djerba und in Hammamet und eine Fernsehproduktionsfirma hinzu. In Tunis ist Belhassen Trabelsi, ein Vorstandsmitglied der Regierungspartei, auch dafür bekannt, dass er im Restaurant jeweils seine Pistole auf den Tisch legte, bevor er sich setzte. Die Rechnung verlangte er nie, weil er der Meinung war, dass er nichts zu bezahlen hatte. Unterwegs war er immer mit sehr teuren Autos. Eine Schwäche für Jachten Ähnlich protzig trat Imed Trabelsi auf, ein Neffe der First Lady, der vor einigen Tagen seinen Verletzungen erlag, die ihm einer seiner Leibwächter mit einem Messer zugefügt hatte – im unmittelbaren Nachgang zu Ben Alis Flucht. Bekannt war Imed Trabelsi im Gegensatz zu den meisten seiner Verwandten weit über die Grenzen hinaus – bis nach Frankreich. Er war der Chef einer organisierten Verbrecherbande, die sich auf den Klau von Luxusjachten spezialisiert hatte. Nicht nur in tunesischen Gewässern, sondern im gesamten südlichen Mittelmeerraum. Am spektakulärsten aber verlief die fulminante Karriere von Sakhr al-Materi, 30 Jahre alt, dem schillerndsten Schwiegersohn der Ben Alis, Gemahl von Tochter Nesrine. Seine Holding gründete er mit 24. Bald gehörten ihm der Hafen von La Goulette bei Tunis, ein Radio mit frommem Programm, eine Bank, die sich den islamischen Finanzregeln verschrieben hatte, und ein Mobilfunkunternehmen. Auch Materi galt als möglicher Thronfolger. Das fromme Image, das er sich gab, täuschte die Tunesier aber nie. Nur Stunden vor dem Sturz seines Schwiegervaters floh Materi mit seiner Familie nach Frankreich. Auch seine Villa wurde geplündert. Im Garten lag damals noch immer Tiger Pacha in seinem Käfig. Das arme Tier wurde getötet. Sie zogen ihm das Fell ab. Als wärs eine Trophäe der erfolgreichen Revolte. «Dies ist der Artikeltext. Er wiederholt sich jetzt mehrfach. Ein Weiterlesen ist nicht «Dies ist der Artikeltext. Er wiederholt sich jetzt mehrfach. Ein Weiterlesen ist nicht Bildlegende.Foto: Vorname Name, Agentur Leila und Zine al-Abidine Ben Ali 2006 bei einer Parade anlässlich des 50. Jahrestages der tunesischen Unabhängigkeit.Foto: AFP BilderVerhasste PräsidentengattiniPhone: Tagi-App aufTA+Mobile: SMS mit Text Plus an 4488
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch