
Die kleine Bühne ist im Heugümper hergerichtet, dem Clublokal der Grasshoppers hinter dem Paradeplatz. Vor der Werbewand sitzt Manuel Huber, dahinter wartet der Überraschungsgast, der eigentlich keiner mehr ist, weil schon durchgesickert ist, wer es ist, aber das tut nichts zur Sache. Damit dramaturgisch nichts schiefgeht, taucht ein Mitarbeiter von GC in dieser Aufführung zuerst auf. Er hilft als Lotse für Munas Dabbur, falls der nicht auf das Stichwort von CEO Huber reagiert und hinter der Wand versteckt bleibt.
Munas Dabbur also. Er ist die neue Arbeitskraft, die Huber an diesem Dienstagnachmittag präsentiert. Sie ist neu und doch altbekannt. Dabbur ist so etwas wie ein Freund des Vereins, denn für ihn erzielte er zwischen dem Februar 2014 und dem Mai 2016 in total 92 Spielen respektable 49 Tore, bevor er auszog mit der Aussicht, bei Red Bull Salzburg mehr Geld zu verdienen und sportlich einen Schritt weiterzukommen.
Huber und Dabbur fallen sich um den Hals, wie Freunde das so tun. Huber stellt ihn voller Stolz und mit Gewicht in der Stimme vor: «Munas Dabbur wird uns verstärken.» Dabbur sagt leiser, aber melodramatisch: «GC ist immer ein Teil meines Lebens, meines Herzens.»
Dabbur, von den Salzburgern für dieses Frühjahr ausgeliehen. Und ein Coup für einen Verein, der sportlich und wirtschaftlich taumelt, ein Hoffnungsträger, der für die Tore sorgen soll, die der Mannschaft schmerzlich fehlen. Vor einem Jahr um diese Zeit, als nicht nur Dabbur noch für GC spielte, sondern auch Shani Tarashaj und besonders Kim Källström, stand sie um 21 Tore, 12 Punkte und 4 Plätze besser da; es ging ihr und dem ganzen Verein emotional viel besser. Die Zwischenbilanz mit Rang 2 stand für den vermeintlichen Aufbruch in eine bessere Zukunft.
Davon ist bei diesem Termin mit Huber im Heugümper nichts mehr zu spüren. Im Gegenteil, er verbreitet das dunkle Szenario, dass es GC so irgendwann nicht mehr geben wird, falls sich die wirtschaftliche Ertragslage nicht entscheidend ändert.
Huber sagt in seinem Monolog: «Die Situation hat sich noch verschärft. Wir haben 5 Millionen weniger Ertrag ohne die Owners-Gelder. Ohne Transfers können wir das Budget nicht halten. Mit Transfers haben wir uns über Wasser halten können. Aber solange niemand bereit ist, das Budget alternativ zu finanzieren, verunmöglicht uns das eine nachhaltig starke Mannschaft. Solange sich die Situation nicht ändert, müssen wir den Weg (mit der Nachwuchsausbildung, die Red.) weitergehen. Ob wir das langfristig durchhalten, ist mehr als fraglich.» Sein Monolog endet in der Feststellung: «Um eine Spitzenmannschaft zu haben, brauchen wir neue Gelder und Investoren.»
Hubers Worte, Anlikers Worte
Das ist nicht bahnbrechend. Aber die Dringlichkeit in Hubers Worten steht im Gegensatz zum Vortrag von Stephan Anliker an dieser Stelle vor zehn Tagen. Damals berichtete der Präsident von der «Power im Verein», von den Finanzen, die sie im Griff hätten, und von den Aussichten, Geldgeber gewinnen zu können. Und er berichtete vom Traum, in drei, vielleicht vier Jahren wieder auf Augenhöhe mit Basel mitzuspielen. Ein Budget von bis zu 30 statt bislang 20 Millionen sei dafür nötig, sagte er.
Nun hält Huber dagegen: «Jetzt an Europa League oder Champions League zu denken, nur schon daran, den FC Basel anzugreifen, ist Wunschdenken, ist schlicht unmöglich.»
Anliker gab sich entspannt, Huber ist angespannt. Dazwischen liegen zwar nur eineinhalb Wochen, aber auch die ersten beiden Spiele der Rückrunde. Auch? Vor allem!
Es sind Spiele gewesen, die als Augenöffner für die aktuelle Verfassung der Mannschaft dienten, besonders was ihre Qualität nach dem stillosen Abgang Kim Källströms betrifft. Beim 0:1 gegen Thun und dem 0:3 in Lugano ist sie wie ein Absteiger aufgetreten, ohne Emotion, Kopf und Orientierung. GC gab ein himmeltrauriges Bild ab.
Und an der Seitenlinie stand ein Trainer, der keinen Rat wusste, wie er dieser ersten Krise des neuen Jahres begegnen sollte. Der zum Beispiel den 17-jährigen Bajrami nach dem ersten Spiel lobte und im zweiten ohne jede Not nach 39 Minuten auswechselte. Der Caio zuerst auf die Bank setzte und dem Irrtum erlag, der sensible Brasilianer bringe im kalten Tessin auf einmal Leistung, als er ihn für Bajrami einsetzte. Der im Angriff erneut wider jede Logik Tabakovic nominierte.
«Auch er hat seine Tagesform», sagt Huber öffentlich über Tamis jüngste Auftritte. Intern wird härter über Tami geredet, die Clubführung fordert mehr von ihm und verlangt, dass er «mehr Gas» gibt, dass er Varianten ins Spiel bringt, dass er weniger klagt über das, was er nicht hat, und besser umgeht mit dem, was er hat. So zu denken, ist das Recht jeder Führung, auch dieser. Aber ob es sinnvoll ist, ist das andere.
Wo die Krise zu Hause ist, liegen Schuldzuweisungen nahe. Zeigt jeder mit dem Finger auf den anderen, wenn es etwa darum geht, wer welchen Spieler wirklich gewollt hat. Tami gibt vor, er habe nicht die Spieler bekommen, die er gewollt habe. Aus dem Verwaltungsrat heisst es: Man habe viel gemacht für Tami, und Tami wisse seit einem Jahr, dass mehr nicht möglich sei.
Es lässt sich darüber befinden, wie gut diese Mannschaft zusammengestellt ist. Fakt ist, sie war diese Saison fahrlässig allein auf Källström ausgerichtet, sie ist nicht gut durchmischt und arm an Persönlichkeit. Es lässt sich fragen, wer dafür verantwortlich ist. Nur Huber, der vorderhand auch noch Sportchef ist? Tami würde wohl denken: ja. Aber wollte Huber letztes Jahr, dass Dabbur unbedingt wegwill oder Bauer oder Tarashaj oder davor Ravet? Und wollte nur Huber allein Spieler wie Senderos oder Tabakovic oder Munsy, nicht auch Tami? Huber fehlt es an Erfahrung im Geschäft, was normal ist bei einem 29-Jährigen, aber er hat auch bloss das gemacht, was die Führung von Anliker ihm aufgetragen hat: Spieler verkaufen, um Geld zu verdienen und das Budgetloch zu decken.
Ein Sportchef soll kommen, damit es bei den Transfers weniger Fehlgriffe gibt (TA vom 11. 2.). An Huber ist es, ihn zu suchen, den früheren Spieler mit Vorbildcharakter, wie ihn YB mit Christoph Spycher hat. Dass sich dafür ein Ricardo Cabanas, Alex Frei oder Benjamin Huggel gewinnen lässt, ist eine Wunschvorstellung, aber auch nicht mehr.
Was nun bleibt, ist die Vorfreude auf das Debüt Dabburs am Sonntag gegen Sion. In Salzburg ist er bislang durchgefallen, bei GC ist er ein Hoffnungsträger, weil man hier weiss, was man an ihm hat. GC braucht sein Spiel, seine Zähigkeit, seine Tore. Auf dass Hubers Prognose («Wir werden nicht absteigen») erfüllt wird. Und Tami nicht Gefahr läuft, das personelle Opfer dieser Krise zu sein.
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Der Coup in der Krise
Mit der Rückkehr von Stürmer Munas Dabbur reagiert GC auf die sportliche und wirtschaftliche Not, in der Trainer Pierluigi Tami besonders unter Druck geraten ist.