Der digitalen Demokratie ein Stück näher
Seit einem Jahr sammelt die Plattform Wecollect im Netz Unterschriften für Volksinitiativen und Referenden. Warum der Betreiber die Website trotz ihres Erfolgs gerne verschenken würde.

Etwas über 140'000 sind zusammengekommen in zwölf Monaten. Daniel Graf, der Wecollect betreibt, wertet das als Erfolg. Den Einwand, dass die Zahl über die neun auf der Website präsentierten Initiativen verteilt nicht mehr so eindrucksvoll sei, will er nicht gelten lassen: «Wer schon einmal Unterschriften auf der Strasse gesammelt hat, weiss, wie aufwendig es ist.»
Graf sollte es wissen. Der Familienvater, der selbst bei der Vaterschaftsurlaubsinitiative aktiv ist, weibelt auch schon mal offline. Für sein ganz persönliches Anliegen sieht es gut aus. Die Initiativvorlage, die zwanzig arbeitsfreie Tage für junge Väter fordert, hat allein auf Wecollect über 58'000 Unterschriften gesammelt. Und das, obwohl eine reine Übermittlung der digitalen Signatur in der Schweiz noch nicht ausreicht.
Die Unterzeichnenden dazu zu bekommen, neben der Online-Unterschrift auch noch das obligatorische Formular auszudrucken, auszufüllen und abzusenden, sei eine der grössten Herausforderungen gewesen. Ein Formular, das gleichzeitig auch als Couvert fungiert und nicht frankiert werden muss, soll die Schwelle niedrig halten. Anscheinend mit Erfolg: Über fünfzig Prozent aller Unterstützer senden nach der Online-Zeichnung auch das Papier ab. Lediglich ein Referendumsvorschlag gegen das Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Büpf) brachte weniger als die Hälfte Rücklauf. Das Anliegen sei wohl zu nerdig gewesen, reflektiert Graf.
Mit der Unterschrift gleich auch noch Geld sammeln
Ein erfreulicher Nebeneffekt sei, dass jeder retournierte Bogen im Schnitt 1,5 Unterschriften generiere – das heisst, er wird von den Unterstützern herumgereicht. Der Knackpunkt ist für Graf ein anderer: Wecollect bietet den Initianten die Möglichkeit, neben Unterschriften auch Geld zu sammeln. Dies könne die Sammlung für Initiativ-Vorschläge revolutionieren. Die Demokratie würde so «billiger», sagt der Zürcher mit Blick auf die hohen Kosten für eine Initiative. Ein Wermutstropfen ist für ihn deshalb, dass im ersten Jahr keine Einzelperson mit einer Initiativ-Idee an ihn herantrat, sondern nur etablierte Player mit Erfahrung im Politbetrieb.
Noch ist Wecollect weitgehend konkurrenzlos in der Schweiz. Doch Graf geht davon aus, dass sich das ändern wird: «Ich rechne damit, dass die SVP oder andere rechtsbürgerliche Netzwerke eine ähnliche Plattform aufbauen.» Auf seiner Website finden sich eher linke und liberale Vorstösse, die er selbst auswählt. Mit 20'000 Nutzern, die regelmässig über neue Einreichungen informiert werden wollen, und dem gespendeten Geld sei Wecollect fast so etwas wie eine Ein-Mann-Partei. «Ich würde die Plattform gerne verschenken», sagt der Aktivist deshalb. Idealerweise solle die Website mit allen Inhalten an die Community selbst übergeben werden.
Die Community vermehrt einbinden
Bis es so weit ist, möchte Graf sein Projekt auf allen politischen Ebenen öffnen: In Zukunft soll es – wo erlaubt – möglich sein, für kantonale oder kommunale Bestreben zu sammeln. Die Community will er in die Entscheidungen einbinden, welche Initiativen auf Wecollect sammeln dürfen. Ausserdem glaubt er, dass die Website auch nach dem Zustandekommen von Initiativen als Kampagnenplattform im Abstimmungskampf eine Rolle spielen wird.
«Die Briefkastendemokratie widerspricht dem Grundgedanken der direkten Demokratie» sagt Daniel Graf. Es müsse allen Stimmbürgern so einfach wie möglich gemacht werden, am demokratischen Prozess teilzuhaben. Ein Skandal ist für den Kampagnenmanager deshalb die Tatsache, dass der Bundesrat Anfang April das E-Collecting verworfen hat. So müssen die Unterstützer von Anliegen auf Wecollect auch künftig noch den Weg zum Briefkasten antreten.
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