Der einsame Rock-Held
Für manche gilt er als erster deutscher Rock-'n'-Roll-Star: Vor zwanzig Jahren starb Rio Reiser. Nun veröffentlicht sein Bruder eine Biografie über den Sänger.
Er war der «König von Deutschland» und ein Pionier der Berliner Hausbesetzer-Szene. Am 20. August vor 20 Jahren starb Ton-Steine-Scherben-Sänger Rio Reiser. Sein Bruder und langjähriger Wegbegleiter Gert Möbius erinnert sich in «Halt dich an deiner Liebe fest. Rio Reiser» an die gemeinsame Zeit.
Manche sahen in ihm den «König von Deutschland» und den «ersten deutschen Rock-'n'-Roll-Hero», aber auch einen «zerbrechlichen Iggy Pop». Der Ton-Steine-Scherben-Sänger Rio Reiser, der am 20. August 1996 überraschend früh starb, war einer der bedeutendsten deutschen Musikpoeten und -rebellen der 60er- bis 80er-Jahre. Er schrieb mit Songs wie «Keine Macht für niemand» und «Macht kaputt, was euch kaputt macht» Kulturgeschichte.
Schwulsein passt nicht in die Studentenrevolte
Der 1950 in Berlin geborene Rio Reiser, der mit bürgerlichem Namen Ralph Möbius hiess, fühlte sich wohl der damals aufbegehrenden Jugend, aber keiner ideologischen Richtung wirklich verbunden. Mit der Studentenrevolte der 68er hatte er wenig am Hut. «Lange Haare, Kiffen und Schwulsein» war besonders bei den dogmatischen «K-Gruppen» seinerzeit «völlig inopportunes bourgeoises Gehabe», wie sein Bruder Gert Möbius schreibt. Was für den homosexuellen Reiser ein zusätzliches Problem bedeutete.
Ebenso wie die ideologischen und sexuellen Differenzen machte Reiser die Erwartung der Linken an die deutschen Rockmusiker zu schaffen, fühlte er sich doch zwischen künstlerischem Anspruch und den kommerziellen Erwartungen der Musikindustrie sowieso schon hin- und hergerissen.
Reiser wollte bewusst populär und dennoch gesellschaftlich engagiert sein, im besten Sinne eben ein «Volkssänger» nach seinem Verständnis. «Die Lieder waren zum Grossteil auch nicht für die Studentenbewegung gemacht. Das hätten wir auch gar nicht machen können. Wir waren keine Studenten.» Auch ein «Pausenclown der Grünen» wollte er nicht sein.
Ewige Angst, allein zu sein
Möbius erzählt einerseits die Geschichte des Sängers mit erstmals veröffentlichten Tagebuchaufzeichnungen Rios. Mit lebhaften Bildern ruft er aber auch die eigene kleinbürgerliche Familiengeschichte in der frühen Bundesrepublik in Erinnerung.
Gert Möbius schildert einfühlsam und berührend die zunehmende Vereinsamung seines Bruders inmitten des beruflichen Trubels mit dem Auf und Ab von Erfolgen und Selbstzweifeln. «Die Droge, der Shit, der Alkohol» sowie Depressionen wurden sein Begleiter. «Es ist niemand neben mir», notierte Rio einst. Er lebte in ewiger Angst, nicht geliebt zu werden inmitten seiner wechselnden Männerbekanntschaften.
In dunklen Tagen wünschte er sich seine Grabinschrift «Verhungert auf der Suche nach Liebe», fügte dann aber auch relativierend nüchtern hinzu: «Aber es gibt schon genug Menschen, auf deren Grabstein man das schreiben kann».
Überraschender Tod mit 46
Der «König von Deutschland» starb, zwar gesundheitlich bereits angeschlagen, aber dennoch völlig überraschend im Alter von 46 Jahren in Fresenhagen, wo er zunächst auch beigesetzt wurde. 2011 fand seine Umbettung auf den Berlin-Schöneberger St. Matthäus-Kirchhof statt, jener Kirchengemeinde, wo Ralph Möbius 1950 getauft wurde.
Teilnehmer der Trauerfeier im Berliner Tempodrom am 1. September 1996 waren unter anderem Herbert Grönemeyer, Blixa Bargeld, Marianne Rosenberg, Tim Fischer sowie die Gruppen Einstürzende Neubauten und Keimzeit. Ulla Meinecke sang einen der berühmtesten Rio-Reiser-Songs, «Junimond», mit den Zeilen «Jetzt tut's nicht mehr weh...Es ist vorbei, bye bye Junimond».
SDA/kpn
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