Der endlose Kampf der SVP gegen das Gleichstellungsbüro
Sie kann tun, was sie will – die SVP stellt die Fachstelle für Gleichstellung infrage. Zuweilen mit sehr kreativen Argumenten.

Man könnte ganze Bücher füllen mit den Vorstössen, in denen sich SVP-Politiker an der Stadtzürcher Fachstelle für Gleichstellung abgearbeitet haben. Dabei zeigen sie sich erstaunlich erfindungsreich mit ihren Vorwürfen. Jüngstes Beispiel: Die Gemeinderätin Elisabeth Liebi und ihr ehemaliger Kollege Johann Widmer werfen der Fachstelle Diskriminierung vor – und zwar der Männer. Wer sich für Gleichstellung einsetze, sei mit einem Team aus acht Frauen und zwei Männern ein schlechtes Vorbild. Diskriminierend sei auch die einseitige politische Zusammensetzung des Teams.
Der Stadtrat gibt sich in seinen Antworten betont nüchtern. Man sei sich des Frauenüberhangs in der Fachstelle bewusst. Deshalb seien bei den jüngsten Stellenausschreibungen männliche Bewerber direkt angesprochen worden. Da stand dann also: «Wir suchen einen Juristen bzw. eine Juristin» – gefolgt vom expliziten Vermerk, dass bei gleichen Qualifikationen, der männliche Bewerber bevorzugt werde. «Aus Sicht der Stadt werden Männer somit nicht ausgeschlossen», schreibt der Stadtrat in der Antwort auf die Kritik der SVP-Parlamentarier.
Mehr Bewerbungen von Frauen
Tatsache sei aber, dass sich auf die Stellen in den letzten Jahren bedeutend mehr Frauen als Männer beworben haben. Als es um die Projektleitung ging, war das Verhältnis 9 zu 1. Hinzu komme, dass sich männliche Bewerber oft nach dem zweiten Bewerbungsgespräch zurückziehen. Begründung: zu tiefer Lohn, kaum Aufstiegschancen.
Die politische Haltung ist laut Stadtrat kein relevantes Anstellungskriterium. Die Bewerberinnen und Bewerber würden nicht einmal danach gefragt. Auch externe Auskünfte über die Parteizugehörigkeit würden nicht eingeholt. Rein aufgrund des Interesses dürften sich jedoch eher frauenfreundliche Personen auf die Stelle bewerben, schreibt der Stadtrat. Und diese sympathisieren in der Regel nicht mit rechtem Gedankengut.
Es ist nicht die erste Anfrage, welche die beiden SVP-Gemeinderäte zur Fachstelle gestellt haben. Ende November baten sie den Stadtrat um Auskunft zu einer Gesprächsrunde der Bibliothek für Gleichstellung, die sich dem Thema «Transkinder» widmete. Ihnen leuchtete nicht ein, was das Thema mit Gleichstellung zu tun hat und warum ein solcher Anlass mit öffentlichen Mitteln finanziert wird. Sie äusserten aber noch ganz andere Bedenken: «Klärt der Stadtrat regelmässig ab, ob im Zusammenhang mit dieser und anderen Veranstaltungen der Bibliothek strafrechtliche Tatbestände im Zusammenhang mit dem Kinderschutz oder gar Pornografie erfüllt werden?»
«Am Ende stärken solche Anfragen die Fachstelle für Gleichstellung.»
Der Stadtrat liess in seiner Antwort auf diese Anfrage seine Mühe durchblicken, dem Gedankengang zu folgen. Es sei für den Stadtrat «nicht nachvollziehbar», was diese und andere Veranstaltungen mit strafrechtlich relevanten Tatbeständen zu tun haben könnten. Des weiteren obliege dem Präsidialdepartement die Förderung der Gleichstellung von Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität, deshalb sei die Veranstaltung gerechtfertigt. Im Rahmen der Budgetdebatte versuchten Liebi und Widmer dann gemeinsam mit ihrer Fraktion wie jedes Jahr, alle Gelder für die Fachstelle zu streichen. Diese müsse per Juli 2018 schrittweise aufgelöst werden. Wie jedes Jahr scheiterte dieser Antrag.
Überraschend fällt die Reaktion dort aus, wo man sich diese Vorwürfe und Angriffe seit bald 30 Jahren anhören muss. «Am Ende stärken solche Anfragen die Fachstelle für Gleichstellung», sagt Leiterin Anja Derungs. «Durch die ständige Beobachtung ist sie mehr als andere gezwungen, ihre Strategien ständig zu schärfen.» Dass die Fachstelle so viel Widerstand auslöse, liege in der Natur von Gleichstellungsarbeit. «Es geht immer auch um Macht- und Hierarchiefragen – das ist natürlich unangenehm für all jene, die an der alten Ordnung hängen.» Derungs zeigt sich aber überzeugt, dass Gleichstellungsanliegen in der Zivilgesellschaft einen starken Rückhalt haben.
Wie im Gemeinde-, so im Kantonsrat
Ähnliche Angriffe gibt es auch auf kantonaler Ebene – und ähnliche Antworten. Der ehemalige Justizvorsteher Markus Notter (SP) enervierte sich einst im Kantonsrat über die Dauerkritiker: «Ich habe noch nie erlebt, dass Sie mit der gleichen Akribie, mit der gleichen Verbiestertheit, sich einmal die Fachstelle, die für die Schweinemastberatung da ist, vorgenommen hätten, oder dass Sie sich den Fragen der Schwarzwildbekämpfung – da gibt es auch eine Beratungsstelle – so angenommen hätten. Das ist von den finanziellen Auswirkungen her etwa im gleichen Umfang. Nein, Sie scheinen mit dem Thema ein bisschen ein Problem zu haben, vermute ich.»
Im Kanton Aargau wurde die Fachstelle kürzlich im Rahmen einer Neuorganisation faktisch abgeschafft. Die Forschung indes gibt der staatlichen Förderung solcher Fachstellen recht. So äusserte sich Gesine Fuchs, die zum Thema Gleichstellungspolitik in der Schweiz geforscht hat, im Onlinemagazin «Republik» mit den Worten: «Die Fachstellen sind etwas vom Besten, was die Schweizer Gleichstellungspolitik hat.»
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch