Der Freund als prominenter Flugbegleiter
Andreas Küttel ist zurück im Schweizer Skisprungteam – auch wegen Simon Ammann.

Andreas Küttel klatscht im Auslauf der Titlisschanze in seine Hände, als sich Simon Ammann vom Balken stösst. Doch die aufmunternde Botschaft hilft dem langjährigen Teamkollegen wenig. Weil er technisch patzt, fällt der Toggenburger beim ersten Springen am Heim-Weltcup von Engelberg vom 6. Zwischen- auf den 14. Schlussrang zurück. Sofort analysiert Küttel den Sprung – «zu spät abgesprungen» –, als hätte er in der Vergangenheit nichts anderes getan.
Aber Küttel, der Weltmeister von 2009 auf der Grossschanze, war nach seinem Rücktritt vor sechs Jahren phasenweise relativ weit weg vom Skispringen. Schliesslich galt es nach der Karriere, ein neues Leben aufzubauen. Küttel fand es in Süddänemark, wo seine polnische Frau Dorota Medizin studiert hatte und arbeitet.
Küttel, der sich an der ETH zum Turn- und Sportlehrer hatte ausbilden lassen, doktorierte am Institut für Sport und Biomechanik der University of Southern Denmark in Odense. Thema seiner Dissertation: ein Vergleich der Sportsysteme der Schweiz, Dänemark und Polen, und dabei besonders, wie Eliteathleten vor, während und nach der Karriere unterstützt werden.
Nun trägt Doktor Küttel auch praktisch dazu bei. Seit diesem Frühling ist er zurück im Schweizer Skisprungteam. Eine Bezeichnung für seine Arbeit hat man in der Equipe zwar noch nicht gefunden, man könnte den 38-jährigen Vater eines Buben aber einen Supervisor nennen – oder in Anlehnung an seinen Sport: Flugbegleiter.
Denn Berni Schödler, der Schweizer Skisprung-Chef, holte seinen einstigen Athleten ins Team zurück, um seine Springer und Trainer mittels externem Blick voranzubringen, darunter natürlich auch Simon Ammann. Wobei der Kontakt zwischen Küttel und Ammann nie abgebrochen war, weil sie befreundet sind – Ammann ist etwa der Götti von Küttels Sohn Oliver.
Fachartikel für Ammann, Aufgaben für die jüngeren Springer
Seit Küttels Rückkehr haben sie die losen Gespräche, die sie ohnehin ein paar Mal im Jahr führten, professionalisiert. Wobei Küttel nicht detailliert benennen will, woran sie arbeiten. Die Gespräche, die sie führen, sollen privat bleiben.
Als «Stupser» bezeichnet sich Küttel darum neutral im Zusammenhang mit Ammann. Er will diesen zum Nachdenken bringen und damit darauf hinweisen, dass man nicht immer alles auf dieselbe Art machen muss, wenn man vorankommen will. Denn Ammann hat mit seinen 37 Jahren als einer der ältesten aktuellen Weltcupspringer natürlich festgestellt, dass er nach über 20 Jahren als Skispringer in gewissen Abläufen ein wenig festgefahren ist.
Küttel hat ihm seit der Zusammenarbeit darum immer wieder einmal einen Fachartikel zu bestimmten Themen gemailt, um seinen Freund mit Inputs zu versorgen. Derart klare Worte wie noch im vergangenen Winter aber benötigt Küttel zurzeit nicht. Damals sagte er gegenüber der NZZ an der WM in Lahti, er stelle bei Ammann eine gewisse Zerstreutheit fest.
Die volle Konzentration aufs Skispringen scheine diesem abzugehen. Noch in Lahti diskutierte er mit Ammann und Schödler seine Ansichten, die Schödler überzeugten, Küttel im Team haben zu wollen. «Andreas verfügt über ein enorm feines Gespür für Zwischentöne und spürt extrem gut, in was für einer Situation sich ein Athlet befindet. Mit seiner Art kann er uns helfen», urteilt Schödler.
Zu Küttels Aufgaben gehört nicht nur die Arbeit mit den Athleten, sondern auch den Trainern. Allgemein müsse er eine Art Helikopterperspektive einnehmen und beobachten, beschreibt Küttel: Wie sich die Athleten in Training und Wettkampf geben, wie sie mit den Coaches umgehen, wie diese sich verhalten. Fallen ihm Dinge auf, bespricht er sie mit ihnen. Zu Beginn der Zusammenarbeit setzte er sich auch mit jedem Springer lange hin und legte fest, woran sie arbeiten wollen.
Den jüngeren Athleten gab er über den Sommer auch Aufgaben. Gregor Deschwanden musste beispielsweise aufzeichnen, wie er sich einen perfekten Sprung vorstellt. Anhand der Illustration erkannte dieser technische Fehler, die er in den Trainings zu justieren versuchte.
Mit Ammann plant Küttel über die Karriere hinaus
Bei einem derart erfahrenen Athleten wie Ammann drehen sich viele Fragen eher um das Leben nach der Karriere. Schliesslich dürfte der vierfache Olympiasieger nach diesem oder nächstem Winter abtreten. Und obwohl er schon kräftig wirbelt, jüngst kaufte er daheim im Toggenburg ein Hotel, kann ihm Küttel dank seiner Erfahrung als Sparringpartner dienen. Doch auch bezüglich diesem Thema gilt: Was die beiden konkret bereden, mag Küttel nicht öffentlich machen.
Er äussert sich lieber zu Ammanns sportlicher Entwicklung: Technisch springe er deutlich besser als im vergangenen Winter. «Die Bananen-Haltung in der Luft hat er korrigieren können. Auch an Selbstvertrauen hat er gewonnen.» Wobei Küttel über Ammanns Zeit hinaus denkt, indem er sagt: «Mein Engagement mit dem Team endet kaum nach dieser Saison. Dafür kann man noch zu viel optimieren.»
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