Der Frust des Fed-Vize wegen Donald Trump
Vor seinem Rücktritt hat Stanley Fischer seinen Unmut über die Trump-Administration bekundet. Jetzt kann der US-Präsident die Ausrichtung der Notenbank Fed erst recht beeinflussen.

Persönliche Gründe seien es, die ihn zum Rücktritt als Vizepräsident der US-Notenbank Fed im kommenden Oktober bewogen hätten, schreibt Stanley Fischer in einem offenen Brief an US-Präsident Donald Trump. Erst im Juni des nächsten Jahres wäre seine ordentliche Amtszeit als Nummer zwei nach Janet Yellen abgelaufen, als Fed Gouverneur hätte der bald 74-Jährige noch bis zum Januar 2020 amten können.
Stanley Fischer ist ein Ökonom mit einem aussergewöhnlich grossen Einfluss. Den verdankt er sowohl seinen bisherigen Ämtern wie auch seiner akademischen Laufbahn. So amtete er von 2005 bis 2013 als Notenbankchef von Israel, von 1988 bis 1990 als Vizepräsident und Chefökonom der Weltbank und von 1994 bis 2001 als Vizechef beim Internationalen Währungsfonds.
Lehrer von Draghi und Bernanke
Als Professor am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den 1970er-Jahren galt er als einer der theoretischen Begründer der modernen Wirtschaftspolitik. Er war Lehrer einer ganzen Reihe von heute führenden Ökonomen. So etwa des späteren Fed-Chefs Ben Bernanke, des amtierenden Chefs der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, des IWF-Chefökonomen Maurice Obstfeld, des bekannten Makroökonomen Kenneth Rogoff oder des Nobelpreisträgers Paul Krugman.
Man kann nur spekulieren, was die «persönlichen Gründe» sind, die Fischer zum vorzeitigen Rücktritt bewogen haben. Dennoch gibt es Hinweise darauf, dass die Politik des US-Präsidenten eine Rolle gespielt hat und hier insbesondere die Absicht, die Regulierungen der Finanzindustrie wieder zurückzustutzen. So betont Fischer in seinem kurzen Rücktrittsschreiben an Trump, wie wichtig für die US-Wirtschaft die Regulierungen nach der Finanzkrise gewesen seien, weil sie das Finanzsystem stabiler gemacht haben.
«Extrem gefährlich und extrem kurzsichtig»
Noch sehr viel deutlicher wurde der Fed-Vize aber in einem Interview, das er Mitte August der «Financial Times» zu den Absichten der Trump-Regierung gegeben hat, die eingeführten Finanzregulierungen wieder abzubauen. Wörtlich erklärte Fischer da: «Es hat nach 1930 fast 80 Jahre bis zu einer erneuten Krise von diesem Ausmass gedauert. Und bereits zehn Jahre danach wollen alle wieder zum Zustand vor der Finanzkrise zurück. Das finde ich extrem gefährlich und extrem kurzsichtig. Man kann die politische Dynamik dahinter verstehen, aber man kann nicht verstehen, warum erwachsene, intelligente Leute zum Schluss kommen können, dass man alles wieder abschaffen soll, was in den letzten zehn Jahren eingeführt wurde.» Für einen Zentralbanker sind das ungewöhnlich scharfe Worte.
Auch sonst hat Stanley Fischer im Interview aus seiner Abneigung der Administration unter Donald Trump keinen Hehl gemacht. Die USA und Grossbritannien hätten nach dem Zweiten Weltkrieg ein System geschaffen, das «ziemlich und verdammt gut funktioniert» habe, erklärte er. Jetzt sei aber unklar, ob es überlebe. Das System brauche eine Hegemonialmacht. Doch «jetzt haben wir eine Welt, die über keine Ankermacht, keine Hegemonialmacht, oder wie immer man das nennen will, verfügt – ausser die Dinge in den USA ändern sich».
Kein Gehör für Kritik im Weissen Haus
Solche Töne hört man im Weissen Haus gar nicht gerne. Kritik an der Politik von Donald Trump dürfte laut dem «Wall Street Journal» – das sich auf interne Quellen aus der Regierung stützt – auch einem der Hauptfavoriten für den Chefsessel beim Fed zum Verhängnis werden: Dabei handelt es sich um Gary Cohn, den einstigen Goldman-Sachs-Banker und aktuellen Wirtschaftschefberater von Donald Trump.
Cohn hat nach der Reaktion von Donald Trump auf die Ausschreitungen in Charlottesville zwischen Neonazis und jenen, die gegen deren Aufmarsch protestiert haben, wörtlich erklärt: «Bürger, die sich für gleiche Rechte und Freiheit erheben, können nie mit weissen Suprematisten, Neonazis oder mit dem Ku-Klux-Klan gleichgesetzt werden.» Weil der Präsident genau dies getan hat, meinte Cohn, die Trump-Administration «kann und muss das besser machen». Laut dem Zeitungsbericht sind dadurch Cohns Chancen drastisch gesunken, Janet Yellen an der Spitze des Fed beerben zu können. Möglich ist auch, dass Trump sogar Yellen auf dem Posten belässt, obwohl er sie noch während des Wahlkampfs heftig kritisiert hat.
Trump kann beim Fed die Weichen stellen
So oder so haben mit dem vorzeitigen Rücktritt von Stanley Fischer die Möglichkeiten des US-Präsidenten weiter zugenommen, die Notenbank in seinem Sinne zu beeinflussen. Noch nie in der Geschichte des Fed waren nur drei Posten im Gouverneursrat – dem obersten Gremium des Fed – besetzt. Der Rat sollte eigentlich sieben Personen umfassen. Das bedeutet, dass der Präsident dort neu eine Mehrheit bestellen kann, wenn der Senat seine Vorschläge absegnet, was wahrscheinlich ist. Denn die Kammer wird durch seine Partei, die Republikaner, dominiert.
Für die Geldpolitik hat die neue Ausgangslage für das laufende Jahr noch kaum Folgen. Die meisten Beobachter rechnen nicht mit einem weiteren Zinsschritt. Für das kommende Jahr ist aber angesichts der ausstehenden Personalentscheide und damit der Unbestimmtheit der künftigen Ausrichtung der Notenbank noch alles offen.
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