«Der Gewinn, der bleibt privat, die Verluste kauft der Staat»
Redaktion Tamedia erregte mit einem Artikel zur Umverteilung nach oben die Leserschaft. In den eingegangenen Kommentaren war Zustimmung und Ablehnung enthalten – aber auch eine Portion Poesie.

«Die Regierung will der Wirtschaft mit zwei Milliarden Franken helfen. Dafür wurden in den vergangenen Jahren Arbeitslose, Invalide, ÖV-Benutzer und das Bundespersonal zur Kasse gebeten.»
Im Einstieg zu Hubert Moosers gestrigem Artikel ist die Kernaussage bereits enthalten: Anhand von vier Beispielen schildert der Autor, wie die von bürgerlichen Interessen geprägte Politik der letzten Jahre einen Umverteilungseffekt zur Folge habe – aber nicht etwa von oben nach unten, sondern umgekehrt, von den Armen zu den ohnehin schon Reichen. «Die angeblich schlechte Finanzsituation des Bundes bildete die Grundlage für das Zusammenstreichen von Leistungen», schreibt Mooser, um am Ende des Artikels die bürgerlichen Parteien anzuklagen, weil sie weitere Steuererleichterungen für Unternehmen gefordert hätten.
Die «Linken» gegen die «Rechten»
Die Leserschaft griff zur Tastatur. Wie meistens, wenn es um sozial- und ordnungspolitische Themen geht, zeigt sich in den eingegangenen Kommentaren eine deutliche Polarisierung zwischen linken und rechten Positionen. Gegnerische Parteien wurden unzimperlich angegangen. So stichelt Leser P. L. im Forum: «Liebe Leute, was glaubt ihr eigentlich? Eure einzige Existenzberechtigung ist nun mal, ein Leben lang malochen zu gehen, damit Blocher und Konsorten leben können wie die Made im Speck. Ansonsten seid ihr total überflüssig.»
Die Mitteparteien werden ihrerseits für ihre zuweilen etwas einseitigen Interpretationen von Liberalismus kritisiert. «Wo bleibt denn der Aufschrei der FDP von wegen ‹staatlicher Eingriff in den freien Markt›?», fragt sich Leser C. M. im Zusammenhang mit den vom Bundesrat angestrebten Hilfspaketen für die Wirtschaft. Doch auch linke Parteien kriegen im Forum ihr Fett weg. Leser D. G.: «Es wird Zeit für eine neue Linke, die kein Parteiprogramm aus den 30ern hat und konkrete Sachpolitik anstelle von sinnentleertem Antikapitalistengewäsch von sich gibt.»
Differenzierte Voten finden sich beim Thema Mobilität, dem der Artikel einen Abschnitt widmet. Leser H. P. hinterfragt beispielsweise die Gleichsetzung von sozialer Wohlfahrt mit öffentlichem Verkehr: «Mobilität ist ein Luxus-Wunsch und kein Menschenrecht. Wer sie will, soll dafür das zahlen, was sie auch kostet.» Kommentarschreiber J. G. sieht dies ähnlich: «Es ist nicht Aufgabe des Staates, Unternehmer für entgangene Gewinne zu entschädigen, aber es ist auch nicht seine Aufgabe, meinen Sonntagsausflug mit der Bahn zu finanzieren».
In ihrem Grundtenor stimmen viele Leser jedoch mit unserem Autor überein. Ein gewisser Ärger über den Politikbetrieb ist spürbar – stellvertretend sei hier der Kommentar von M. J. angefügt: «Sparen und nochmals sparen. Angst schüren, es könnte irgendwann noch schlimmer kommen. Gleichzeitig grosse Überschüsse einfahren. Und da wundern wir uns, wenn der soziale Zusammenhalt in diesem Land zerbröckelt und der Respekt vor Mitmensch und Natur verloren geht?»
Sags mit einem Gedicht
Was gibt es Besseres, als die eigene Meinung mit einem berühmten Zitat zu hinterlegen? Zum Abschluss einige der Sprichworte und Gedichte, die Leser im Kommentarforum platziert haben:
Dem Arbeiter und der Kartoffel gehen die Augen erst auf, wenn sie im Dreck liegen! Johann Wolfgang von Goethe, gepostet durch H. Z.
Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient. Joseph Marie de Maistre, gepostet durch J. G.
Der Gewinn, der bleibt privat, die Verluste kauft der Staat. Kurt Tucholsky, gepostet durch S. Z.
Durch das Geld vernichtet die Demokratie sich selbst, nachdem das Geld den Geist vernichtet hat. Oswald Spegler, gepostet durch V. K.
Meine Freiheit heisst, dass ich Geschäfte machen kann, und deine Freiheit heisst, du kriegst bei mir 'n Posten, und da du meine Waren kaufen musst, stell ich dich bei mir an, dadurch verursacht deine Freiheit keine Kosten. Meine Freiheit muss noch lang nicht deine Freiheit sein. Meine Freiheit ja, deine Freiheit nein. Meine Freiheit wird von der Verfassung garantiert, Deine hat bis jetzt nicht interessiert Georg Kreisler, gepostet durch R. B.
Denen, die haben, denen wird gegeben. Aus der Bibel, gepostet durch R. K.
Du wohnst in einer festen Behausung? Dann gehörst du zu den 70 Prozent Reichsten der Welt. Das Haus hat keinen Lehmboden? Top 30 Prozent. Du hast ein eigenes Badezimmer? Top 15 Prozent. Du hast die Musse und schreibst über deinen Computer Kommentare einer Online-Zeitung? Top 5 Prozent. Eigens gedichtet von W. B.
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