Ziel war es, den wohl unbeliebtesten Präsidenten der amerikanischen Geschichte faktisch abzuwählen, ihn zu demütigen, seine Mehrheiten im Kongress zu zerstören, ja, ihn so zu verletzen, dass es ein Leichtes wäre, ihn seines Amtes zu entheben. Erreicht haben die Demokraten, die seit zwei Jahren sich verhalten, als stünde Amerika fünf Minuten vor dem Untergang, viel, viel weniger – eine einzige Kammer haben sie erobert, indem sie rund 35 Sitze im Repräsentantenhaus den Republikanern abgenommen, während sie im Senat gar Sitze eingebüsst haben und die Mehrheit hier noch lange ausser Griffweite liegen dürfte.
Donald Trump, der gröbste, unanständigste und wirksamste Politiker der Gegenwart, hat die Zwischenwahlen gewonnen, die diese Woche in den USA stattgefunden hatten, auch wenn es Demokraten und ihren Medien schwerfiel, das offen einzuräumen. Von einer blauen Welle, einem Tsunami der Demokraten, der Washington überflutet hätte, wie man dies erwartet hatte, konnte keine Rede sein. Blau ist die Farbe der Demokraten, Rot jene der Republikaner.
Mit anderen Worten, wenn dies das beste Ergebnis ist, das die Demokraten zustande bringen, wenn so vieles für sie spricht: ein Flegel von Präsident, Medien, die fast geschlossen auf ihrer Seite stehen, ein zwei Jahre dauernder Feldzug gegen das vermeintlich Böse und so viel Geld, wie noch nie eine Partei für Kongresswahlen einzusetzen vermochte, nämlich rund 1,5 Milliarden Dollar, dann kann sich Trump mit einer gewissen Gelassenheit auf die Präsidentschaftswahlen in zwei Jahren vorbereiten. Diese Demokraten sind sehr viel schwächer und ratloser, als sie es vielleicht selber wissen.
«Wer Trump wählt, findet ihn selten sympathisch, doch er wählt ihn trotzdem, weil er seine Politik gutheisst.»
Ein Vergleich mag das verdeutlichen: 2010, also zwei Jahre nachdem Barack Obama, der demokratische Rockstar, ins Weisse Haus gezogen war, verloren die Demokraten in den Zwischenwahlen 63 Sitze im Repräsentantenhaus und damit die Mehrheit sowie sechs Sitze im Senat. Nur knapp blieben sie hier an der Macht. Präsidenten werden oft in den Midterms bestraft, wie es dem Gerechtigkeitssinn der Wähler entspricht, doch so krass, wie Obama das erleben musste, kommt es selten vor. Trump erlitt nichts Vergleichbares. 35 Sitze abzugeben, liegt im Durchschnitt der vergangenen Jahrzehnte. Woran liegt es, dass die Demokraten diesem Präsidenten nicht beizukommen scheinen? Wenn man ihren Kampf Revue passieren lässt, dann fällt auf, wie humorlos, wie verbissen, ja, mit welchem religiösen Eifer sie diesen Präsidenten verfolgen, als glaubten sie wirklich, es handelte sich um einen Ketzer, der die Wähler über die Verhältnisse im Jenseits falsch informiert. Im Grunde ist es paradox. Weit davon entfernt, Politik für unerheblich zu halten, glaube ich dennoch, dass wir sie inzwischen zu ernst nehmen.
Ob rechts oder links, es hat sich nicht nur in Amerika eine Art des Engagements ausgebreitet, das vorgibt, für politische Anliegen einzustehen, wo es tatsächlich darum geht, sich bei den Guten einzureihen und die Bösen zu verdammen. Politik ist zum Religionsersatz geworden in einer Epoche der Ungläubigen. Es wird nicht mehr um die Höhe der Steuern gestritten oder über Sinn und Zweck eines Hallenbads, sondern die Apokalypse naht, und wir verhandeln darüber, wer zu Recht in die Hölle fährt. Es ist diese Moralisierung der Politik, die die Demokraten in die Irre führt. Denn bei aller, mitunter hysterischen Aufrüstung auf beiden Seiten: Der Wähler sieht die Dinge ruhiger, selbst wenn er den Demokraten zuneigt. Unter deren Kandidaten haben sich am Dienstag eher die Moderaten durchgesetzt, während die Progressiven, also Leute, die die politisch korrekte Bezeichnung von Transgender-Toiletten für relevanter halten als die neuesten Arbeitslosenzahlen, vom Wähler abgewiesen worden sind.
«Statt Trump zu widerlegen, widmen sich die Demokraten seither der Teufelsaustreibung.»
Wer Politik als eine Art Missionstätigkeit unter Eingeborenen betreibt, macht Fehler, insbesondere schätzt er den Gegner falsch ein. Nichts anderes ist den Demokraten widerfahren. Gleichsam religiös erweckt, vermögen sie in Donald Trump nicht einfach einen Politiker zu erkennen, dessen Meinung sie ablehnen, sondern es ist der Teufel ins Weisse Haus gewählt worden, was die Demokraten geradezu zwingt, diese Wahl für Unrecht zu halten. Hat nicht der Teufel den Bürger verführt? Statt Trump zu widerlegen, widmen sich die Demokraten seither der Teufelsaustreibung. Ohne Erfolg. Sie übersehen, dass die meisten Amerikaner ihre Einschätzung nicht teilen. Wer Trump wählt, findet ihn selten sympathisch, wie viele Umfragen belegen, doch er wählt ihn trotzdem, weil er seine Politik gutheisst. Trump hat viel versprochen, und aus Sicht seiner Wähler auch viel gehalten. Die Wirtschaft blüht, die Arbeitslosigkeit liegt so tief wie seit 1969 nicht mehr, er hat konservative Richter ernannt und das Land aus Kriegen herausgehalten, obwohl er so klingt, als liebte er es, das Ausland mit Bomben einzudecken.
Politik als Religion birgt Risiken. Irgendwann verliert der Teufel an Schrecken, und manchmal stellt sich heraus, dass der Ketzer am Ende recht bekommt. Ganz gleich, wie unanständig er predigt.
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Markus Somm über Donald Trump und dessen Gegner. Warum können sie ihn nicht besiegen?