Es klöpft und tätscht und zischt und knallt. Wir haben Ende April, und die Aufregung ist schon beträchtlich. Historikerstreit. Ausrufezeichen. Köppel in den Nationalrat. Doppeltes Ausrufezeichen. Blochers Tochter auch. Sehr viele Ausrufezeichen. Es wird einem wirr im Kopf, ob all dem Lärm, den die SVP (und mit ihr die dankbaren Medien) heute schon um die Wahlen macht. Das Narrativ der Konservativen hat es dabei schon weit in den Mainstream hinein geschafft: Wir haben ein Mitte-links-Parlament (angeblich), wir werden von einer Mitte-links-Regierung regiert (ebenso angeblich). Diese linke Mehrheit gelte es zu «brechen», wie es Christoph Blocher nennt. Darum zieht er mit Historiker Thomas Maissen durch die Turnhallen des Landes und streitet um das richtige Bild der Schweiz. Darum schickt er Köppel und die eigene Tochter in den Kampf, darum wird plötzlich überall «gemusst» und nicht mehr «gewollt».
Es ist eine Mission, es ist Blochers letzte Mission. Natürlich geht es auch um die Wahlen, um einen zweiten Bundesratssitz für die SVP und das Ende der Karriere von Eveline Widmer-Schlumpf. Die eigentliche Schlacht findet allerdings erst danach statt – was auch Blocher offen sagt. Voraussichtlich 2016 wird die Schweiz über die Zukunft der bilateralen Verträge und wohl auch über ein neues institutionelles Rahmenabkommen mit der EU abstimmen. Blocher will ein Nein dazu, um jeden Preis. Wie damals beim EWR gelte es, den «schleichenden EU-Beitritt» zu verhindern, sagt er in der aktuellen Ausgabe seines Blocher-TV. Wie damals beim EWR kämpfe man gegen fremdes Recht und fremde Richter.
Die entscheidende Frage
Im aktuellen Wahlkampf-Getöse spielt diese Europa-Frage nur eine untergeordnete Rolle. Einzig die SVP will über die EU reden, die anderen Parteien vermeiden das Thema. Lange werden sie das nicht mehr tun können. «Die Wahlen sind nur ein Vorgeplänkel für den grossen Kampf um Europa in einem Jahr», sagt der Rechtsfreisinnige Konrad Hummler. Seit 1992, seit dem Nein zum EWR, weigere sich die Schweizer Politik, über das Thema zu reden. «Vor der entscheidenden Frage wird der Kopf in den Sand gesteckt. Das ist unannehmbar.»
Hummler hat recht. Das Feld wird den Nationalkonservativen überlassen. Die drohende Abstimmung über die Zukunft der Schweiz in Europa bietet die Bühne für das einzige Thema, das der SVP wirklich wichtig ist: die eigene Souveränität. Das ist der Grund, warum Blocher und seine SVP auf die Völkerrechtsinitiative und nicht die Asylinitiative setzen. Das ist die Erklärung für die Lancierung von Kandidaten wie Roger Köppel, Magdalena Martullo-Blocher oder auch Hans-Ueli Vogt. Sie stehen für die grossen Linien, sie werden aufgebaut für die Schlacht in einem Jahr.
1992 reloaded
1992 hat die Schweiz bei der EWR-Abstimmung den bisher intensivsten Kampf um eine politische Vorlage erlebt. Das ganze Land fieberte auf die eine grosse Abstimmung hin, das ganze Land war auf eine Art und Weise politisiert und elektrisiert, die seither so nicht mehr festzustellen war. Es ist sehr gut möglich, dass der Schweiz 2016 ein ähnlich intensiver Abstimmungskampf bevorsteht. Eine Abstimmung, in der es wirklich um alles geht. Um die Zukunft der Schweiz. Um die Schweiz. Das Klöpfen und Tätschen und Zischen und Knallen des Wahlkampfes 2015 wird dann nur noch eine ferne Erinnerung sein. Sie wird einem im Vergleich geradezu friedlich erscheinen.
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Der grosse Kampf steht noch bevor
Historikerstreit, prominente Kandidaten, übermässige Medienpräsenz: Die SVP dominiert den Wahlkampf nach Belieben. Dabei sind die Wahlen nur der Anfang – die entscheidende Schlacht findet erst danach statt.