
Donald Trump hat sich den Job im Weissen Haus einfacher vorgestellt. Er fühle sich eingesperrt in einen «kleinen Kokon», sagte er kürzlich in einem Interview. Er vermisse sein altes Leben. Unbeabsichtigt gestand er damit ein, dass die Checks and Balances wirken. Das sind die Institutionen der amerikanischen Demokratie, die die Macht unter sich aufteilen und sich gegenseitig kontrollieren. Dazu gehören neben dem Präsidenten der Kongress, die Gerichte und die Bundesstaaten, aber auch die Medien.
Nach 100 turbulenten Trump-Tagen war das eine beruhigende Nachricht, hatte der Kandidat der Republikanischen Partei im Wahlkampf doch versprochen, er werde den «Washingtoner Sumpf» trockenlegen. Was immer er darunter verstand: Es ist ihm nicht gelungen, Senatoren, Richter oder Journalisten davon abzuhalten, ihren Job zu machen. Die Gerichte stoppten den verfassungswidrigen Muslimbann, der Kongress bremste Trumps Versuch, Obamacare zu pulverisieren, und die Medien haben im Zeitalter von Fake-News und «alternativen Fakten» ihre verloren geglaubte Relevanz zurückgewonnen.
Nun aber scheint es, als habe der Präsident seinen «kleinen Kokon» zerrissen: Offenbar entnervt wegen der Fragen, die Medien und Ermittler zu seinen Russlandverbindungen stellen, hat er FBI-Direktor James Comey entlassen. Die Begründung, Comey habe bei der Aufklärung von Hillary Clintons E-Mail-Affäre Fehler begangen, ist ein Witz, den man von einem humorlosen Narzissten wie Trump nicht erwartet hätte.
Medien und FBI könnten eine Koalition der Willigen bilden.
Denn derselbe Comey hatte wenige Tage vor der Präsidentenwahl mit der Oktoberüberraschung aufgewartet, es gebe illegal übermittelte Mails der ehemaligen Aussenministerin, von denen man bisher nicht gewusst habe. Comey, kein Freund der Clintons, brauchte darauf eine ganze Woche, um herauszufinden, dass die Mails harmlos waren. Der Schaden war angerichtet, ob wahlentscheidend oder nicht. Deshalb hatte man eine gewisse Nähe zwischen Trump und dem FBI-Boss erwartet. Doch Comey ist offenbar prinzipiell und konsequent unabhängig, so wie man es von einem hohen Beamten erwartet.
Grundsätzlich ist es dem US-Präsidenten nicht verboten, den Direktor der Bundespolizei zu ersetzen. Trump jedoch hat ein Problem, weil er jenen Mann feuerte, der wegen der Russland-verbindung gegen ihn ermittelt hatte. Und das just zum Zeitpunkt, als Comey beim Justizministerium um mehr Mittel bat – der Verdacht der Vertuschung liegt nahe. Der Präsident hatte sich in die Belange der Justiz eingemischt, was ihm als Vertreter der Exekutive nicht zusteht: Er hat die in einer Demokratie essenzielle Gewaltentrennung missachtet, ein Tatbestand, der aus Ländern wie Venezuela, der Türkei oder Russland bekannt ist. Nicht nur die «New York Times», die von einer «angespannten und unsicheren Zeit» schreibt, ist beunruhigt.
«You're fired» gehört zu Trump
Der Satz «You're fired» gehört jedoch zu Trump: Er war der dramaturgische Höhepunkt jeder Ausgabe seiner Realityshow «The Apprentice». Nun hat die Präsidentschaft Trumps mit der Entlassung Comeys einen dramatischen Tiefpunkt erreicht. Mit Folgen in der politischen Realität: Erstens wird der Ruf lauter nach einem Sonderermittler, der sich um die Moskau-Connection von Trump und den Seinen kümmert. Richard Nixon und Bill Clinton waren gezwungen, einen speziellen Staatsanwalt zu ernennen. Noch weigert sich Trump, und nur seine republikanischen Parteifreunde im Kongress könnten ihn dazu zwingen. Doch der Druck nimmt zu: von Medien, Demokraten und der Öffentlichkeit.
Entspannt dürfte Wladimir Putin die Ereignisse in Washington verfolgt haben. Die zweite Konsequenz der Comey-Entlassung: Der Kreml konnte einen weiteren Teilsieg verbuchen, weil der US-Präsident ähnlich agierte wie ein Autokrat. Die russische Führung macht kein Geheimnis daraus, dass sie westliche Demokratien schädigen möchte. Allerdings ist unwahrscheinlicher geworden, dass sich Trump und Putin annähern und Deals zu Syrien oder der Ukraine abschliessen. Jede Konzession der USA würde den Verdacht wecken, der Präsident werde erpresst.
Drittens rückt nun, da der russische Schatten über Trump länger wird und die unangenehmen Fragen zu seinen Verbindungen nach Moskau sich häufen, vieles in den Hintergrund, was er sich vorgenommen hat. Etwa die Ablösung von Obamacare, seine Steuerreform oder die notwendige Sanierung von Brücken, Strassen und Tunnels. Wie aber kam Trump auf die Idee, dass er seine Position in der Russlandaffäre stärken würde, wenn er Comey rausschmeisst?
Trump warnt Comey
Inzwischen scheint es dem Präsidenten zu dämmern, welchen Risiken er sich ausgesetzt hat. Jedenfalls sah er sich am Freitag veranlasst, Comey davor zu warnen, die Medien mit Trump-Russland-Storys zu füttern. Wobei er sich wohl an Mark Felt alias «Deep Throat» erinnerte, einen anderen verschmähten FBI-Kader, der mit seinen Informationen an die Presse Präsident Nixon stürzte. Medien und FBI könnten erneut eine Koalition der Willigen bilden, was den US-Präsidenten wohl nervös macht.
Trump hat sich viertens Feinde gemacht beim FBI. Comeys Entlassung wirkt wie eine Aufforderung, die Nachforschungen zu verstärken. Und die Feds, wie die Bundesbeamten im amerikanischen Volksmund genannt werden, gelten nicht nur als effizient und integer, sie geniessen höchstes Ansehen. Anders als die CIA-Spione, die illegal operieren, sind die FBI-Beamten dem Rechtsstaat verpflichtet – egal, wie weit die Gesetze zuweilen gedehnt wurden. Auch in Hollywoodfilmen sind sie deshalb oft die Helden, seit Jahrzehnten dargestellt von Stars wie James Stewart, Sam Shepard oder Nicolas Cage.
Donald Trump hat weder sich noch seinem Land einen Gefallen getan, als er sich mit dem FBI anlegte. Nun wird sich zeigen, wie wirksam die Checks and Balances tatsächlich sind. Die Affäre um Trump und Comey wird zum Härtetest für die amerikanische Demokratie.
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Der Härtetest
Der US-Präsident hat mit der Entlassung von FBI-Chef James Comey Amt und Land geschadet. Übersteht das die amerikanische Demokratie?