Der Kanton Genf dementiert kategorisch
Die Familie von Hannibal al-Ghadhafi habe nichts bekommen, sagt Staatsratspräsident François Longchamp.
Nur Stunden, nachdem Max Göldi auf dem Flughafen Zürich-Kloten gelandet war, reagierte die Genfer Regierung auf die jüngste Entwicklung in der Libyen-Affäre. Ihr Präsident François Longchamp (FDP) wies eine von der Agentur AFP verbreitete Aussage des libyschen Aussenministers Moussa Koussa kategorisch zurück, Genf habe eine Entschädigung von 1,5 Millionen Euro an Hannibal al-Ghadhafi bezahlt, und das Geld sei bereits auf ein Konto überwiesen worden. «Wir haben nicht den geringsten Betrag an die Familie Ghadhafi bezahlt», unterstrich Longchamp. In Bern bestritt Bundesrätin Micheline Calmy-Rey ebenfalls, dass Geld nach Libyen geflossen sei.
Der in Tripolis beschlossene Aktionsplan zur Lösung der Krise enthält allerdings einen Passus über eine Entschädigung. Sie wird fällig, falls die Genfer Justiz in der laufenden Strafuntersuchung die Schuldigen für die Weitergabe der Polizeifotos von Hannibal Ghadhafi nicht findet. Gemäss Plan hat die «Schweizer Regierung» in diesem Fall dem Sohn des libyschen Herrschers Muammar al-Ghadhafi «eine Entschädigung zu bezahlen, deren Höhe beide Parteien vereinbaren».
Gespannt auf das Schiedsgericht
In den Bestimmungen zum internationalen Schiedsgericht ist ebenfalls von einer Entschädigung die Rede. Zumindest in der Fassung des Abkommens vom 20. August 2009, das der damalige Bundespräsident Hans-Rudolf Merz unterzeichnet hatte. Danach verpflichtete sich die Schweiz, eine Entschädigung zu bezahlen, sofern das Schiedsgericht eine zivil- oder strafrechtliche Verfehlung der Genfer Justiz und Polizei bei der Verhaftung des Ehepaars Ghadhafi im Juli 2008 in Genf erkennt. Formell ist der Merz-Vertrag zwar noch sistiert. Aber der Aktionsplan und die Erklärung, die Calmy-Rey am Sonntag vor der Unterzeichnung der neuen Vereinbarung abgab, beziehen sich auf dieses Abkommen.
Verglichen mit damals, reagierte der Genfer Staatsrat milder im Ton auf die - nun bestätigte - Einberufung eines internationalen Schiedsgerichts. «Wir warten auf die Schlussfolgerungen des Schiedsgerichts, ob die Ereignisse im Juli 2008 mit internationalem und nationalem Recht vereinbar waren», sagt Staatsratspräsident Longchamp. Sein Vorgänger David Hiler (Grüne) hatte im August 2009 noch protestiert: «Ein solches Verfahren kann man einem Kanton nicht aufzwingen. Dieses Schiedsgericht ist vielleicht völkerrechtskonform, aber es verstösst gegen nationales Recht.» Auf Betreiben Genfs liess die Konferenz der Kantonsregierung (KdK) diese Frage in einem Gutachten abklären. In Genf heisst es inoffiziell, die KdK gehe mit dem Staatsrat einig.
Wein statt Worte
Rachid Hamdani polterte gestern in der Zeitung «Le Matin» gegen die Genfer Behörden: «Sie sind die Ursache dieser Krise, und sie haben uns während der ganzen Dauer unserer Haft kein besänftigendes Wort gesandt.» Longchamp entgegnete, dem Staatsrat sei die Freilassung der zwei Geiseln «immer die grösste Sorge» gewesen. Die Regierung sei mit Äusserungen sehr vorsichtig gewesen, und man habe, namentlich in den letzten Monaten, stets in Übereinstimmung mit dem Bundesrat gehandelt. Aus zuverlässiger Quelle heisst es, Genf habe den Weinkeller der Schweizer Botschaft in Tripolis aufgefüllt und so «in flüssiger Form» das Los der Geiseln gemildert. Warum raffte sich die Genfer Regierung nicht dazu auf, Max Göldi und Rachid Hamdani in einem Begleitbrief ihr Mitgefühl auszudrücken?
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