Der Lärmschutz kommt vor dem Recht aufs Bauen
Eine 8,5 Hektar grosse Wiese in Bülach darf wegen des Fluglärms nicht überbaut werden. Das hat das Bundesgericht entschieden.
Von Bodo Lamparsky Bülach – Gemessen wird selbst abends zwischen 10 und 11 Uhr bei offenem Fenster. Im Mettmenriet könnte zu dieser Zeit der Lärm von Starts und Landungen auf dem Flughafen Zürich den maximal erlaubten Wert um 1 bis 3 Dezibel übersteigen. Das Bundesgericht untersagt deshalb den Bau von 270 Wohneinheiten in der Nähe der Kantonsschule Zürcher Unterland in Bülach-Ost. Es bestätigt damit einen Entscheid des Zürcher Verwaltungsgerichts und weist eine Beschwerde des Bülacher Architekturbüros Oskar Meier ab. Die grösste Wohnbaureserve im Siedlungsgebiet rund um den Flughafen bleibt so blockiert. Auf das Baugesuch für 37 Mehrfamilienhäuser, 12 Reihen-, 18 Doppel- und 11 einfache Einfamilienhäuser war der Bauausschuss der Stadt Bülach vor vier Jahren gar nicht erst eingetreten. Markus Burkhard, Leiter des Bülacher Bauamts, mag sich dennoch nicht recht freuen, dass er recht bekommen hat. «Mit dem Urteil ist nichts gewonnen», sagt er. Schliesslich hatte die Stadt die Parzellen von sieben Grundeigentümern 1997 eingezont, weil es ihr an Land für Einfamilienhäuser fehlte. Erst später erliess der Kanton ein Erschliessungsverbot für fluglärmbelastete Gebiete, das jetzt auch das Bundesgericht bestätigt hat. «1 Dezibel – das hört niemand» Peter Baumberger, Anwalt der Eigentümer und ehemaliger CVP-Nationalrat, hält den Richterspruch für unverhältnismässig. «1 Dezibel zu viel ist weder eine Belärmung noch eine Belästigung, noch irgendwie schädlich – das hört man gar nicht», ärgert er sich. Erfolge die Rechtsprechung nur um ihrer selbst willen, schwinde ihre Akzeptanz in der Bevölkerung. Auch Markus Burkhard spricht von einer «akademischen Übung». Grenzen für die Lärmbelastung seien zwar nötig. Hier drehe sich der Streit aber um «eine Lappalie». Zumal der Computer die Lärmkurven aufgrund des provisorischen Betriebsreglements für den Flughafen berechnet habe. Im Mettmenriet liegt der Grenzwert für den Fluglärm in der ersten Nachtstunde gegenwärtig bei 50 Dezibel. Dies entspricht dem Lärm einer schwach befahrenen Innerortsstrasse (200 Fahrzeuge pro Stunde) in 40 Meter Entfernung. Für das Bundesgericht gibts an der Lärmschutzverordnung jedoch nichts zu rütteln. Würden die Planungswerte überschritten, sei es gerechtfertigt, das Wohnen vorsorglich zu unterbinden. «Die Bewohner müssen ihre Fenster öffnen können, unabhängig davon, ob das zum Lüften erforderlich ist oder nicht.» Auch der von den Arealentwicklern angebotene Minergiestandard mit Komfortlüftung rechtfertige keine Ausnahmebewilligung. Zudem liege es im öffentlichen Interesse, ein weiteres Anwachsen der Wohnbevölkerung in fluglärmbelasteten Gebieten zu verhindern.Stadtbehörden und Grundeigentümer setzen ihre Hoffnungen jetzt in ein neues, weniger strenges Planungsinstrument des Kantons: Die sogenannte Abgrenzungslinie soll die Interessen von Flughafenbetrieb und Siedlungsentwicklung langfristig entflechten. Baugebiete wie das Mettmenriet dürften demnach auch dann erschlossen werden, wenn die Planungswerte für den Fluglärm nicht eingehalten sind. 19 Gemeinden rund um den Flughafen haben ihre Vorstellungen dazu bereits im März 2010 in einer gemeinsamen Eingabe zur Richtplanrevision deponiert. Damit die neue Regel greift, müsste der Bundesrat allerdings die Lärmschutzverordnung ändern. Hintertürchen aufgestossen Ein Hintertürchen hat das Bundesgericht den Beschwerdeführern aber schon mal aufgestossen. Es stünde ihnen frei, ein Baugesuch für einen kleineren Teil des Gebiets entlang von Mettmenriet- und Grundstrasse zu stellen, der ihrer Meinung nach ausreichend erschlossen sei. Bis zu zwei Bautiefen könnten dort vorwiegend mit Mehrfamilienhäusern bestückt werden. Anwalt Peter Baumberger wundert sich: Gerade im vorgeschlagenen Sektor sei der Planungswert mit 3 Dezibel am stärksten überschritten, dahinter nehme die Belastung ab. «Das Ganze dünkt einen schon etwas komisch.»
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