Der magische Moment, wenn die Flöte erstmals erklingt
In Stäfa gibt es zwei Flötenbauer, beide heissen Fehr. Trotz gleichem Namen und Metier finden beide ein Auskommen.
Von Beatrice Gerwig Stäfa – Auf dem Tablett präsentieren sich die beiden Stäfner Flötenbauer nicht gerade. Die H. C. Fehr Blockflötenbau AG ist in einem alten Weinbauernhaus an der Goethestrasse domiziliert. Der zweite Flötenbauer, Thomas Fehr, wohnt in der Kernzone im Weiler Kehlhof in einem verwinkelten, mehrere hundert Jahre alten Haus mit vielen steilen Treppen. Den Flötenbauer stört das nicht: «Das Haus stammt aus dem Jahre 1600 ungrad», erklärt er. Eine adlige Frau habe es damals dem Kloster Einsiedeln geschenkt als Unterkunft für verwitwete und «gefallene» Frauen. Dass gleich zwei Flötenbauer in Stäfa tätig sind, sei eher Zufall, sagt Thomas Fehr. Sein Vater, Hans Conrad Fehr, ein Konzertflötist und Flötenlehrer, begann 1950 in Hinteregg, Instrumente herzustellen. Damals wurde in den Schulen obligatorisch geflötet, es herrschte ein Riesenboom, und die Blockflöten aus dem Hause Fehr galten als die weltbesten, so Thomas Fehr. Frauen sind Hauptkunden Der Firmengründer starb 1958 bei einem Autounfall, worauf der Zürcher Financier Bruno Séquin die Firma H. C. Fehr übernahm. 1960 zügelte das Geschäft an die Goethestrasse nach Stäfa. Damals bestand die Belegschaft aus drei Angestellten, die Instrumente entstanden in Handarbeit. Zehn Jahre später waren es bereits zwanzig Handwerker. Der heutige Geschäftsführer, Michele Masucci, der seit 35 Jahren in der Firma Fehr angestellt ist, erinnert sich, dass manchmal an Weihnachten keine einzige Flöte mehr vorhanden war. Seit langem aber geht der Umsatz konstant zurück. Musikunterricht in der Schule ist nicht mehr obligatorisch, und viele Kinder spielen lieber Geige, Gitarre oder Keyboard. Hauptkunden seien heute neben den Musikschulen Frauen jeden Alters, die Flötespielen als Hobby pflegten, so Masucci. Im ersten Stock des schönen alten Hauses an der Goethestrasse warten Tausende Flöten aller Schattierungen zwischen Weiss und Schwarz, aus Edelhölzern wie Floridazedern, Grenadill und Buchsbaum, bis jemand sie zum Klingen bringt. Jedes Modell, vom Sopranino bis zur Tenorflöte, wurde mit einer speziellen Maschine gelocht, gebohrt, gedrechselt. «Heute sind wir noch zu viert an der Arbeit», erzählt Masucci. Verkauft werden an die 3000 Flöten im Jahr. 2000 davon sind Schulflöten, welche für 92 Franken über den Ladentisch gehen. Der Sohn geht eigenen Weg Thomas Fehr ging noch zur Schule, als sein Vater starb. Später studierte er Querflöte am Konservatorium. 1983 liess er sich in Stäfa nieder, kaufte eine Drehbank und begann als Autodidakt Traversflöten zu bauen. Diese unterscheiden sich von den metallenen Querflöten durch ihren warmen Klang. Fehr profitiert vom Trend, alte Musik auf Originalinstrumenten zu spielen. Die Traversflöte eignet sich speziell für die Interpretation barocker Stücke. Daneben fertigt er Panflöten aus schwarzem Edelholz. Mit der Situation, dass zwei Flötenbauer mit dem gleichen Firmennamen in Stäfa arbeiten, hat weder der eine noch der andere Mühe. Sie haben Kontakt und schätzen sich gegenseitig, kommen sich aber nicht in die Quere, weil sie nicht die gleichen Flöten herstellen. Zwar hat Thomas Fehr manchmal Lust, auch Blockflöten zu bauen. Da er aber alle Arbeiten alleine ausführt, kommt er vorläufig gar nicht dazu. Fehrs Kunden sind vor allem Berufsmusiker und Studierende. An einer einfachen Flöte, die 2000 Franken kostet, arbeitet er acht Stunden. Die Vorarbeiten werden durch computergesteuerte Maschinen erledigt, die der Flötenbauer alle selbst entworfen, gebaut und programmiert hat. Die imposante Ansammlung von Schreinerei-Maschinen ist im Dachstock des uralten Hauses untergebracht. «Der Stolz des Hauses» ist eine Langlochbohrmaschine mit einem Arm, der durch ein Loch in der Decke aus dem oberen Stock herunterragt. Tango zur Entspannung Jedes Instrument bekommt den letzten Schliff vom Flötenbauer persönlich: «Wenn ich das Instrument zum ersten Mal anblase, höre ich schon, ob es schön klingen wird. Das ist ein magischer Moment», sagt Thomas Fehr, der nicht nur Instrumente fertigt, sondern auch noch spielt. Neben der Arbeit übt der Musiker jeden Tag auf dem Bandoneon, einer Art Handorgel, die in Südamerika verbreitet ist. Fehr spielt darauf denn auch Tango – zur Entspannung. Thomas Fehr fertigt Traversflöten auf selbst gebauten Maschinen.Foto: Sabine Rock Bildlegende.Foto: Vorname Name, Agentur Michele Masucci arbeitet seit 35 Jahren für die Firma Fehr.Foto: René Kälin
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