Der Mann, der dem Kranich die Flügel stutzt
So mancher Lufthansa-Kunde ist derzeit auf Nicoley Baublies wohl nicht besonders gut zu sprechen. Doch der Chef der Flugbegleiter-Gewerkschaft UFO lässt sich nicht beirren – und zwingt die Lufthansa zu Konzessionen.

Mit der Ankündigung, 1200 von 1800 Flüge zu streichen, hat die Lufthansa das Mitgefühl ihres derzeit prominentesten Angestellten geweckt. «Ich habe gespürt, jetzt hissen sie die weisse Fahne», erzählt Nicoley Baublies, Vorsitzender der Flugbegleiter-Gewerkschaft UFO, die mit ihrem Streik seit einer Woche Deutschlands grösster Airline einen Arbeitskampf bisher ungekannten Ausmasses liefert. «Ich musste zum Handy greifen und Lufthansa anrufen», berichtet der 39-Jährige. «Wir kriegen den Kranich wieder hoch, habe ich gesagt.»
Trotzdem blieben heute in Frankfurt Hunderte Flieger am Boden. Aber der Konzern und die UFO reden immerhin wieder miteinander. «Noch sind die Gespräche nicht zielführend», sagt Lufthansa-Sprecher Klaus Walther am Flughafen. Die UFO will weiter fünf Prozent mehr Entgelt sowie Schutz vor Leiharbeit und Jobauslagerungen. Lufthansa bot zuletzt 3,5 Prozent mehr Geld über drei Jahre.
Verwaiste Lufthansa-Gepäckschalter in der Abflughalle
Nur geringer Kundenandrang herrschte am Morgen vor den Umbuchungscountern. Während des Tages sind die Fluchten der blau-gelben Gepäckschalter zeitweise gespenstisch ausgestorben geblieben. Viele Lufthansa-Kunden sind gar nicht erst gekommen, kaum ein angereister Passagier war von dem Streik überrascht. Inhaber eines Inlandstickets konnten an den Check-in-Automaten ihre Flugkarten problemlos in einen Reisegutschein der Deutschen Bahn umwandeln.
Der Andrang verlagerte sich folglich teilweise in den Fernbahnhof des Airports. Gedränge vorm DB-Reisecenter und auf den Bahnsteigen, aus denen die Züge Richtung Köln, Hamburg, Berlin, Stuttgart oder München oft mit grosser Verspätung abfahren.
Flugbegleiter feiern ihren Gewerkschaftschef
UFO-Chef Baublies strahlte den ganzen Tag. Seine Ankunft morgens im Streiklokal auf einem Wiesenstück im Westen des Flughafens feierten die Stewardessen und Stewards mit minutenlangem Applaus und fröhlichen Pfiffen. Gerührt gab Baublies die Komplimente zurück. «Mit so viel Kampfbereitschaft von euch hat Lufthansa nicht gerechnet», erklärte der UFO-Chef. «Und ich weiss, dass wir Zuspruch in allen Konzernabteilungen und selbst in den Manageretagen haben.» Auch das, sagt Baublies, habe Lufthansa die weisse Fahne schwingen lassen.
An Mittag dann führte Baublies – die UFO-Fahne schwenkend – die Demonstration seiner über 1000 Mitstreiter zur Zentrale der blau-gelben Airline am Flughafen an. «Wir alle zusammen haben den Diamanten Lufthansa in der Hand», sagte Baublies auf der Kundgebung vorm Konzerngebäude. «Und ihr solltet ihn nicht zerbrechen lassen», fügte er an die Adresse der obersten Etage hinzu – aus der niemand herunterkommt. Unter den Demonstranten ist auch Stewardess Katja Baker. «Ich bin überglücklich, dass unser Streik so viel Erfolg hat», freut sich die 47-Jährige.
Auf Schlichtung geeinigt
Schliesslich haben sich beide Seiten auf eine Schlichtung verständigt. Das sagte ein Lufthansa-Sprecher am Abend in Frankfurt am Main. Gegenstand des Schlichtungsverfahrens sei insbesondere «der Vergütungstarifvertrag für das Kabinenpersonal» und der «Tarifvertrag Ergebnisbeteiligung für das Kabinenpersonal», erklärte das Unternehmen. Beide Seiten würden bis Mittwoch ein Schlichtungsabkommen unterzeichnen.
Stunden zuvor hatte das Unternehmen erklärt, es wolle auf den umstrittenen Einsatz von Leiharbeitern als Flugbegleiter in Berlin verzichten. «Lufthansa verzichtet einseitig, auf absehbare Zeit und ohne weitere Vorbedingungen auf den Einsatz von externen Kabinencrews in Berlin», erklärte Vorstandschef Christoph Franz in Frankfurt am Main. Die bei Lufthansa eingesetzten Flugbegleiter der Leiharbeitsfirma Aviation Power sollen überdies im kommenden Jahr ein Angebot zur Festanstellung bei der Lufthansa-Gruppe erhalten.
Der Einsatz von Leiharbeitern in der Bundeshauptstadt galt bisher als einer der Haupt-Streitpunkte in der Tarifauseinandersetzung zwischen der Lufthansa und der Flugbegleiter-Gewerkschaft UFO. In Berlin beschäftigt das Unternehmen derzeit neben rund 200 eigenen Flugbegleitern rund 180 Leiharbeiter. Zum Winterflugplan hätten es ursprünglich noch mehr werden sollen. Die Lufthansa wollte damit auf den von Billig-Airlines geprägten Berliner Markt reagieren.
Franz verspricht sich von dem Schritt Fortschritte in den festgefahrenen Tarifverhandlungen für die rund 18'000 Flugbegleiter der Lufthansa Passage. «Wir hoffen, dass dieser Schritt der Gewerkschaft UFO hilft, mit uns gemeinsam in konstruktiven Gesprächen den Weg zu einer zukunfts- und wettbewerbsfähigen Vergütungsstruktur für die Mitarbeiter der Kabine zu beschreiten.»
dapd/ses
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