Der nervigste Bahnübergang Zürichs
Bis zu 25 Minuten warten Autofahrer und Fussgänger beim Bahnhof Seebach, bevor sie traversieren können. Das kann heikel werden.
«Was will man machen?» Der junge Audi-Fahrer, der an diesem Mittag vor der geschlossenen Barriere beim Bahnhof Seebach wartet, wirkt leicht resigniert. «Wenns dumm läuft, wartest du hier 20 Minuten», erzählt er durchs offene Autofenster. Der Mann, Verkäufer von Beruf, wohnt in Seebach und fährt nach eigenen Angaben zweimal täglich über den Bahnübergang westlich der Bahnstation.
An diesem Mittag befindet er sich gerade auf dem Weg von der Arbeit nach Hause, als ihn wieder einmal die geschlossene Barriere stoppt. «Klar nervt das, vor allem, wenn du es pressant hast und schnell daheim bei der Familie sein willst.» Manchmal versuche er, den Bahnübergang zu umfahren, aber auf der Ausweichroute dauere es je nach Verkehrsaufkommen noch länger. Diesmal muss der Mann allerdings nicht 20 Minuten warten. Die Barrieren heben sich nach rund 7 Minuten, und seine Fahrt kann weitergehen.
«Sie brausen stinkhässig davon»
Die langen Schliesszeiten beim Bahnübergang Felsenrainstrasse in Seebach stellen Autofahrer und Passanten immer wieder auf eine Geduldsprobe. Von 10 bis gar 20 Minuten Wartezeit berichten sie beim Augenschein am Mittwoch. Ein Velofahrer, der auf die geschlossene Barriere trifft, macht fluchend rechtsumkehrt. Ein Fussgänger huscht trotz geschlossener Barriere noch schnell über die Gleise, um eine S-Bahn zu erreichen. Bizarr: Die Barrieren bleiben einmal rund 5 Minuten geschlossen, ohne dass ein Zug vorbeifährt. Schliesslich tuckert eine Rangierlok vorbei, worauf sich die Schranken wieder heben.

«Ein Ärgernis», meint eine Fussgängerin, die den Bahnübergang täglich überquert. Vor allem bei schlechtem Wetter sei das Warten nervig, weil ein Unterstand fehle. Eine andere Passantin berichtet von der jeweils gereizten Stimmung unter den Verkehrsteilnehmern wegen der langen Schliesszeiten. So gebe es immer wieder Autofahrer, die nach dem Zwangsstopp «stinkhässig davonbrausen, voll Hobel durch die Tempo-30-Zone».
Das Warten an der Barriere in Seebach hat jetzt auch Politiker auf den Plan gerufen. SVP-Gemeinderat Stephan Iten hat zusammen mit Parteikollege Derek Richter ein Postulat eingereicht. Darin fordern sie die Stadtregierung auf, zu prüfen, sich bei den SBB für «eine kürzere Frequenz der geschlossenen Bahnschranke» starkzumachen. Rangierbewegungen sollten möglichst ausserhalb der Stosszeiten morgens, mittags und abends ausgeführt werden, fordern die SVP-Gemeinderäte. Des Weiteren soll eine neue Verkehrsführung für den Fussgängerverkehr und den motorisierten Individualverkehr ausgearbeitet werden, damit sich die beiden nicht mehr gegenseitig beim Überqueren des Bahnübergangs behindern. «Die Barriere bleibt manchmal 20 bis 25 Minuten geschlossen», sagt Iten. Er habe sogar schon 27 Minuten gestoppt. Quartierbewohner sagten halb im Ernst, halb im Scherz, sie hätten schon «das halbe Leben dort verbracht». Und wer Pech habe, könne mittags wegen der geschlossenen Barriere gleich wieder umkehren – und ohne Mittagessen zu Hause wieder ins Geschäft zurückfahren.
«Eine besondere Konstellation»
Andi Wüst, der Präsident des Quartiervereins Seebach, ist froh, dass das «leidige Thema» nun im Gemeinderat aufs Tapet kommt. Logistisch sollte ein besseres Timing möglich sein, ist er überzeugt. Andernorts würden die Barrieren nach einer Zugdurchfahrt sofort wieder gehoben, das sollte auch in Seebach möglich sein.
SBB-Sprecher Reto Schärli räumt ein, dass es in Seebach in Einzelfällen bis zu 25 Minuten Wartezeit geben könne. Dies allerdings nur, wenn sich eine besondere Konstellation ergebe. Etwa dann, wenn nebst den regulären S-Bahn-Zügen noch zusätzliche S-Bahnen verkehren, gleichzeitig Rangierbewegungen erfolgen oder Güterzüge im Bahnhof Seebach wenden. Dann bleibe die Barriere zwischen den Zügen unten, weil die Zeit für eine Öffnung zu kurz wäre. «Safety first» laute die Devise, so Schärli.

In einem Schreiben an SVP-Politiker Iten liefert der SBB-Kundendienst noch weitere Erklärungen. So müssten Bahnschranken grundsätzlich frühzeitig geschlossen werden, damit Züge rechtzeitig anhalten können, wenn es bei der Barriere ein technisches Problem gibt. Aus Sicherheitsgründen könne es zudem vorkommen, dass bei Rangierbewegungen der Übergang geschlossen werden müsse, ohne dass er befahren wird. «Einfahrende Züge, welche nur bis Zürich-Seebach fahren und dort enden, tangieren ebenfalls jeweils den Bahnübergang auf der Gegenseite. Denn aus Sicherheitsgründen muss der Übergang geschlossen werden, um einen sogenannten ‹Durchrutschweg› zu gewährleisten», schreiben die SBB. Dabei handelt es sich um die Schutzstrecke eines Bahnhofs, die freigehalten werden muss für den Fall, dass ein Zug versehentlich nicht zum Halten kommt, sondern über das Hauptsignal hinaus «durchrutscht».
Weiter verweisen die SBB auf sicherheitsrelevante Einschränkungen, die das Bundesamt für Verkehr vorgebe. Die gesetzliche Bestimmung aus der Eisenbahnverordnung dazu lautet: «Die Sperrzeit der Schrankenanlagen muss möglichst kurz gehalten werden. Für eine einzelne Zugfahrt oder Rangierbewegung soll sie 150 Sekunden nicht überschreiten.»
Auch die Affoltemer warten
Die Seebacher sind nicht die Einzigen, die unter langen Wartezeiten vor Bahnschranken leiden. Klagen deswegen gibt es auch im benachbarten Affoltern wegen des Bahnübergangs Zehntenhausstrasse. Vor einigen Jahren forderten mehrere Parteien dort eine Überführung, doch wollte der Stadtrat nichts davon wissen. Auch in andern Gemeinden, etwa Horgen, Uster oder Suhr AG, führen Bahnübergänge mit langen Schliesszeiten immer wieder zu Diskussionen.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch