Der neue Münsterhof ist schlecht fürs Geschäft
Der Umbau des Zürcher Platzes hat beim Gewerbe Spuren hinterlassen. Ladenbesitzer machen weniger Umsatz, manche müssen Stellen abbauen.
Seit Frühjahr 2016 ist der Münsterhof autofrei. Er soll zum Flanieren und Verweilen einladen. FDP-Stadtrat Filippo Leutenegger kritisierte anlässlich seiner Kandidatur fürs Stadtpräsidium Anfang der Woche allerdings, dass der neu gestaltete Platz zwar wunderschön sei, aber einige Geschäfte darunter leiden würden, dass ihre Umsätze zurückgehen.
Redaktion Tamedia hat sich beim Gewerbe am Münsterhof umgefragt, ob das stimmt. Das Resultat: Aus Sicht der meisten Ladenbesitzer ist der Platz noch kein Ort zum Verweilen, die früheren Kundenfrequenzen seien noch nicht wieder erreicht worden.
Weniger Kunden als früher
So verzeichnet beispielsweise das Delikatessengeschäft Chäs Vreneli rund ein Fünftel Umsatzrückgang seit der Umgestaltung des Platzes. «Wir mussten 1,5 von den insgesamt 7 Arbeitsstellen abbauen», sagt Geschäftsinhaber Jürg Wartmann. Viele der früheren Kunden seien nach der langen Umbauzeit nicht mehr zurückgekehrt.
Ähnlich tönt es bei Manuel Wiesendanger, Inhaber des traditionsreichen Haushaltsgeschäfts Sibler, das seit 185 Jahren besteht. Er habe 2 von den 18 Stellen abbauen müssen. Dies habe einerseits mit den fehlenden Parkplätzen zu tun, aber auch mit der allgemeinen wirtschaftlichen Situation rund um die Bahnhofstrasse. Das Gebiet sei nicht mehr so attraktiv, es gebe im Umfeld weniger Arbeitsplätze. Wiesendanger erwähnt als Beispiel die Schliessung der Fraumünsterpost, die in der Vergangenheit Kunden gebracht habe.
Auch beim Fachgeschäft Leder Locher hat sich der Umsatz laut einer Sprecherin nicht mehr vom Einbruch während der Umbauzeit erholt. Und Wirt Sepp Wimmer vom Zunfthaus zur Waag erinnert daran, dass im Restaurant vor dem Umbau am Abend eine doppelte Personalbelegung nötig gewesen sei. Das sei heute nicht mehr der Fall. Seit der Münsterhof neu gestaltet sei, würden die Spontangäste ab 20 Uhr ausbleiben. Es fehle dem Platz «Bewegung», es würden ihn zu wenig Leute passieren. Dies merke man vor allem, wenn es regne oder nachts, dann sei er wie ausgestorben.
Musikzelt sorgte für Umsatzrückgang
Hans Dölle, Präsident des Fördervereins Kulturplatz Münsterhof, findet den neuen Platz gelungen, aber auch er äussert Kritik: Die Stadt habe noch kein Konzept, wie man mit dem Platz umgehen solle. Als Beispiel nennt er das grosse Zelt, das letzte Woche fürs Welt-Jugendmusikfestival aufgestellt wurde. Ein zu grosses Zelt, meist halb leer, die Strassen ringsherum gesperrt und überall lärmiger Chilbibetrieb, aber ohne Rücksicht auf Fraumünster, Anrainer und Gewerbe.
Inklusive Auf- und Abbauten sei der Platz von Donnerstag bis Dienstag besetzt gewesen, ohne dass dies den Bewohnern und den Geschäften etwas gebracht habe. Im Gegenteil, die Geschäfte hätten Umsatzeinbussen erlitten, während der Platz besetzt gewesen sei, obwohl sie sonst schon genügend Probleme mit der Kundenfrequenz hätten.
Frustrierend und enttäuschend sei, dass die Stadtverwaltung Anrainer und Vereine nicht einbeziehe oder wenigstens informiere. «Wir hoffen auf Bürgernähe, Wertschätzung und einen sensiblen Umgang mit bedeutenden öffentlichen Orten wie dem Münsterhof», sagt Dölle.
Grossveranstaltungen bringen nichts
Lara Jegge, Geschäftsführerin des Restaurants Münsterhof, kann diese Aussage nur bestätigen. Der autofreie Platz sei zwar eine Bereicherung, und man könne jetzt die Gäste auch auf dem Platz bewirten. Grossveranstaltungen wie das Mittelalterfest, das Caliente im letzten Jahr oder die Gay Pride würden den ansässigen Geschäften aber nichts bringen und Umsatzeinbussen verursachen. «Wir hoffen hier auf mehr Fingerspitzengefühl der Stadt beim Erteilen von Bewilligungen», sagt Jegge.
Lorenz Schmid, Inhaber der Toppharm-Apotheke am Paradeplatz und Präsident der Münsterhof-Vereinigung, hat am letzten Samstag wegen des Musikfestivalzelts rund ein Drittel weniger Kunden verzeichnet. Man sei in früheren Gesprächen mit der Stadt zum Konsens gekommen, dass auf dem Münsterhof Veranstaltungen bewilligt werden, die sich eingliedern und den Platz nicht verstellen. Das Gegenteil sei mit dem Zelt der Fall gewesen, sagt Schmid.
Für ihn ist die Neugestaltung des Platzes nach gutem Anfang auf halbem Weg stehen geblieben. Der Platz sei zwar schön, lade aber noch nicht zum Verweilen ein. Er sei zu wenig «heimelig», habe keine Grünflächen. Die Stühle, welche inzwischen aufgestellt worden seien, seien aber ein positives Signal. Er hofft, dass die Stadt diesbezüglich noch mehr unternimmt.
Mit Kunst mehr Leute anlocken
Anna Schindler, Direktorin der Zürcher Stadtentwicklung und bei der Planung des Münsterhofs federführend, ist in den Ferien und für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Gegenüber der NZZ sagte sie aber im Mai: «Wir nehmen mit Sorge zur Kenntnis, dass die Frequenzen in den Läden zurückgehen.» Dieses Phänomen lasse sich aber in der ganzen Innenstadt beobachten. Für den Münsterhof sei sie optimistisch, weil die Menschen Zeit brauchten, um den neuen Platz zu entdecken.
Gestalterisch findet Schindler den Platz gelungen. Das Tiefbaudepartement habe auch rasch reagiert, als die Anrainer sich über mangelnde Sitzgelegenheiten beklagt hätten. Im Nutzungskonzept für den Münsterhof habe die Stadt die Zahl der Veranstaltungen limitiert. Dieses sie unter Einbezug der Anrainer ausgearbeitet worden.
Auf dieses Nutzungskonzept verweist auch Christoph Doswald, Vorsitzender der städtischen Arbeitsgruppe Kunst im öffentlichen Raum. Er soll den Platz im Sommer und Herbst beleben. Vorgesehen ist, dass der Münsterhof ab Mitte August während 30 Tagen als Gastraum für Kunst zur Verfügung steht. Zum Inhalt will sich Doswald noch nicht äussern, man werde demnächst informieren.
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