«Der potenteste militärische Nervenkampfstoff»
Chemiewaffenexperte Stefan Mogl erklärt die Wirkung von VX, mit dem Kim Jong-nam ermordet wurde. Die Attacke an einem Flughafen war in verschiedener Hinsicht gefährlich.

Nach malaysischen Angaben sind bei der Obduktion der Leiche des von mutmasslich nordkoreanischen Agenten ermordeten Halbbruders des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un Spuren des tödlichen Nervenkampfstoffes VX gefunden worden. Die Rückstände der extrem toxischen Substanz wurden auf dem Gesicht von Kim Jong-nam gefunden. Ein brutaler Mord, der offenbar Signalwirkung haben soll.
Bei VX handelt es sich um einen der tödlichsten, giftigsten und gefährlichsten chemischen Kampfstoffe überhaupt, vergleichbar mit dem Nervengas Sarin. Nach Einschätzung von Stefan Mogl vom Labor Spiez ist VX «der potenteste militärische Nervenkampfstoff» überhaupt und «giftiger als Sarin». VX wurde in den 50er-Jahren erstmals von den britischen Streitkräften entwickelt. Es ist ein absolut tödlicher Stoff, der jedes Lebewesen töten kann, das ein zentrales Nervensystem besitzt und einer Attacke schutzlos ausgesetzt ist. VX ist farblos (mit gelegentlich leicht gelber Färbung) und geruchlos und daher extrem gefährlich, hochtoxisch und wird durch Haut und Augen aufgenommen.
«Atemlähmung und Kreislaufkollaps»
Die Folgen sind verheerend: Atemnot, starke Schweissausbrüche, Erbrechen, Sehstörungen bis zur Erblindung und Krämpfe sind erste Symptome der Opfer. Je nach Menge tritt der Tod nach wenigen Minuten oder nach Stunden ein, in der Endphase sterben die Opfer nach Angaben von Stefan Mogl vom Labor Spiez an «Atemlähmung und Kreislaufkollaps». Eine Dosis von 0,4 Milligramm VX reicht aus, um einen Menschen zu töten. Schon ein einziger Tropfen auf die Haut wirkt tödlich. Als Gegenmittel für VX wird Atropin angegeben, doch es wirkt nur, wenn es innerhalb von Minuten eingesetzt wird.
VX und Sarin sind beides Flüssigkeiten, die als Aerosole versprüht werden können. Sarin verdampft aber schneller als VX. Die Attacke auf Kim Jong-nam am Flughafen von Kuala Lumpur hätte zweifelsohne auch andere Passagiere treffen können. Der Mord war insofern unverfroren, kriminell und barbarisch. Vermutlich haben die Angreifer den Kampfstoff auf ein Tuch versprüht und es dem Opfer auf das Gesicht gedrückt. Stefan Mogl nennt den «tieferen Dampfdruck» von VX als Erklärung, dass keine anderen Reisenden bei der Attacke vergiftet wurden. Da VX also langsamer verdampft, bleibt es auch länger am Opfer haften. Dennoch mussten die Attentäter extrem vorsichtig mit der gefährlichen Substanz umgehen, um nicht mit dem hochgiftigen Stoff in Berührung zu kommen.
Ein sorgfältig geplanter Mordanschlag
Allein dieser Umstand lässt den Schluss zu, dass der Mordanschlag sorgfältig vorbereitet wurde und nur von einem Team ausgeführt werden konnte. Dafür spricht auch die Tatsache, dass die malaysischen Behörden vier Personen verhaftet haben und weitere Verdächtige gesucht werden. Derzeit unklar ist auch, woher der Kampfstoff stammt und wie er transportiert wurde.
Laut Experte Stefan Mogl ist die «chemische Synthese» zur Herstellung von VX «nicht trivial», bei der Produktion müssen «höchste Sicherheitsvorkehrungen» getroffen werden. Die gnadenlose Attacke auf den Halbbruder des nordkoreanischen Diktators in aller Öffentlichkeit muss zweifelsohne als politischer Akt und Warnung an alle Kritiker und Überläufer des nordkoreanischen Regimes verstanden werden. Eine quasi öffentliche Hinrichtung mitten in einem Flughafen ist Abschreckung und Drohung zugleich.
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