Rad-WM 2024Der Quartier-Präsident von Witikon findet das Verkehrskonzept «ungenügend»
Obwohl man sich sicher ist, dass die Rad-WM nächstes Jahr ein einmaliges Zürcher Fest wird, gibt es auch Bedenken und Beschwerden.

Auf den Strassen von Witikon fährt kein einziges Auto mehr.
Dafür rasen die besten Radfahrer der ganzen Welt durch. Entlang der Rennstrecken versammeln sich die Einwohner von Witikon, Medienschaffende, Kamerateams und Touristen aus aller Welt zu einer riesigen Menschenmenge. Es wird gejubelt, mit dem Handy fotografiert, gegessen, getrunken und gefeiert.
So zumindest sollte es gemäss dem aktuellen Verkehrskonzept für die Rad-WM 2024 in der Stadt Zürich aussehen.
Witikon will sowieso bessere ÖV-Verbindungen
Balz Bürgisser ist der Präsident des Quartiervereins Witikon und Gemeinderat der Grünen.
Grundsätzlich spricht sich Bürgisser für die Rad-WM 2024 aus, weshalb er die WM auch im Gemeinderat unterstützte. Er ist sich sicher: Die Rad-WM bringt sowohl etwas für die umweltfreundliche Mobilität als auch für den Tourismus, das Gewerbe und die Hotellerie. Durch die Veranstaltung wird der Veloverkehr attraktiver gemacht und ausgebaut. Breite Kreise werden auch von mehr Einnahmen profitieren können. «Die Geschäfte in der Stadt haben sicherlich Freude an diesen neun Tagen», sagt Bürgisser.
Für den Gemeinderat gibt es aber auch negative Auswirkungen. «In Witikon wird der Verkehr völlig lahmgelegt», sagt er. Das vom Kanton Zürich gemachte Verkehrskonzept während der Rad-WM 2024 bezeichnet er als «ungenügend». Die Ersatzbusse seien eine «halbbatzige Lösung», denn deren Kapazität reiche niemals aus, um alle Einwohner von Witikon an ihre Arbeitsplätze zu bringen. Es brauche ein besseres Verkehrskonzept.
Bürgisser fordert einen Ausbau des ÖV für Witikon, was bereits eine langjährige Forderung des Quartiervereins gewesen ist. Besonders das vom ÖV abgeschnittene Quartier Eierbrecht solle dringend an den ÖV angeschlossen werden. Speziell ältere Leute hätten Schwierigkeiten, den steilen Weg bis zur nächsten Bushaltestelle zu nehmen. Auch bräuchte es eine Verbindung zum Bahnhof Stettbach. «Es kostet ja nicht alle Welt», und die Rad-WM sei gerade eine gute Gelegenheit, diesen Vorstoss endlich einzureichen.
«Die mobilitätsbeeinträchtigten Menschen hat man in diesem Konzept auch völlig vergessen», sagt Balz Bürgisser. Diese könnten in dieser Zeit nicht mehr mit dem Auto ins Spital fahren. «Es geht nicht jeder mit der Ambulanz ins Spital.» Deshalb solle man gerade für vulnerable Personengruppen einen Taxidienst während der Rad-WM einführen.

Auch fordert Bürgisser, dass während der Veranstaltung das Benutzen des ÖV für alle kostenlos sei. Denn der ÖV sei zur Zeit der WM die einzige schnelle Verbindung zwischen Witikon und der Stadt. «Es macht ja keinen Sinn, wenn dann jeder ein Billett lösen muss.»
Balz Bürgisser hat in dieser Frage allerdings zwei Rollen. Die eine als Politiker der Grünen und die andere als Präsident des Quartiervereins. Die zwei Rollen seien schon ein «Zwiespalt». Als Quartiervereinspräsident habe er keine Freude an der Abriegelung von Witikon. Als Grüner sei das Abschaffen der Autos jedoch schon immer ein Ziel gewesen.
«Es wird ein tolles Fest»
Andreas Herren ist Mediensprecher des lokalen Organisationskomitees der Rad-WM 2024. Er reagiert ruhig auf die Vorwürfe bezüglich des Verkehrskonzepts.
Es stimme nicht, dass die ganze Stadt Zürich für neun Tage abgeschlossen werde. Die Strassen würden nur über den Tag gesperrt sein. In der Nacht könnten dann die Versorgungsunternehmen, die Kuriere, die Pöstler und andere mit dem Auto wieder in die Stadt fahren.
«Wir haben gewusst, dass man sich beschweren wird. Deshalb wurde dieses Verkehrskonzept 18 Monate im Voraus veröffentlicht, damit wir Rückmeldungen entgegennehmen und auswerten können.» Das Organisationskomitee werde daraufhin mit konkreten Lösungen entgegenkommen.
Bei einem Grossevent werde immer irgendjemand betroffen sein. Aber das Ziel des Organisationskomitees sei es, die Auswirkungen so tief wie möglich halten zu können.
Auf die Frage, ob die Forderung von Bürgisser, den ÖV auszubauen, auch durchgesetzt wird, antwortet Herren: «Das muss ich jetzt noch offenlassen. Aber wir haben das Konzept bereits mit Spezialisten erarbeitet. Und da hat man sich schon sehr viele Gedanken darüber gemacht.» Auf die konkreten Rückmeldungen werde man aber nochmals über die Bücher gehen.

Trotz vieler Kritik ist Herren zuversichtlich, dass die Rad-WM ein tolles Volksfest wird.
Man könne sich nicht nur auf die besten Radrennfahrerinnen und -fahrer der ganzen Welt freuen, sondern auch auf ein Velofest, mit Fanzonen und vielen Veranstaltungen. Gewisse Events finden schon demnächst statt, im Mai etwa die Zurich Cycling Challenge. Das soll eine Art Velomarathon für alle Zürcherinnen und Zürcher von Gross bis Klein werden. Dabei kann man tolle Preise gewinnen. Später finden ein nationales Veloforum und lokale Veranstaltungen in Zürich, Winterthur, Uster und Gossau statt – und in anderthalb Jahren dann die Rad-WM.
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