Der reine Ostschweizer
Blass und zurückhaltend im Geschmack, aber trotzdem eine Delikatesse: Bloderkäse ist das vielleicht bestgehütete Geheimnis des Toggenburgs.

Als Jugendlicher sagte Thomas Stadelmann: «Ich werde niemals Bloderchäs machen. Ich mag ihn nicht.» Der Käser kam 1983 als Elfjähriger mit den Eltern aus der Innerschweiz ins oberste Toggenburg, nach Unterwasser SG. Heute führt er die Käserei Stofel am Dorfrand in zweiter Generation. Und macht den besten Bloderkäse der Schweiz.
Wenn Stadelmann von seinen Lehr- und Wanderjahren, die ihn unter anderem in den Kanton Freiburg führten, erzählt, blitzt immer ein wenig durch, dass er eigentlich gerne im Welschen geblieben wäre. Trotzdem wagte er sich an eine Toggenburger Spezialität: den Bloderkäse.
Früher liess man hier im Toggenburg die Magermilch einfach stehen, bis sie dick war. Noch heute nennt man die gallertartige Masse, die dann entsteht, «Bloder». Die Herstellung unterscheidet sich nicht stark von jener im Mittelalter, als die Mönche des Klosters St. Gallen dank Abgaben in den Genuss von Bloderkäse aus den Obertoggenburger Alpen kamen. Nur bei der Gerinnung der Milch helfen die Käser (und Käserinnen, wie etwa bei Stadelmann) inzwischen mit Milchsäurebakterien nach. Die geronnene Magermilch wird noch einmal erwärmt und dann mit Vollmilch angereichert. Und dann von Hand in quaderförmige Behälter aus Kunststoff, Metall oder Holz gefüllt.
Erst heisst er Bloderkäse, dann Sauerkäse
Seit 2009 ist der Bloderkäse mit der Herkunftsbezeichnung AOP geschmückt, was Richtlinien für die Produzenten mit sich bringt. Zum Beispiel darf die Milch für den Bloderkäse maximal 24 Stunden alt sein und muss von einem Hof kommen, der höchstens 30 Kilometer vom Produktionsbetrieb entfernt ist. Und der Käse muss spätestens am 21. Tag nach dem Käsen abgepackt werden. Reift er weiter, heisst er – ab zwei Monaten – Sauerkäse. Dazwischen ist eine Art Niemandsland.
Berg- oder Alpenmilch ohne Lab und mit nur wenig Salz in Käse zu verwandeln – der Verein Sauerkäse-Bloderkäse vermutet, dass nomadisierende Völker des Ostens diese ursprüngliche Art des Käsemachens hergebracht hatten. Das Klima im Voralpengebiet zwang die Bauern dann dazu, daran festzuhalten: Die Messstation Schwägalp, die zur Hälfte im Toggenburg liegt, ist laut Meteo Schweiz Rekordhalter beim durchschnittlichen Jahresniederschlag. Wegen des Regens und der langen Wege ins Tal mussten sie die Milch an Ort und Stelle verarbeiten.
Schnell, schnell geht das aber nicht. Guter Bloderkäse will Weile haben. Fehlen darum in Stadelmanns Käsekeller die weissen Blöcke? Und das ausgerechnet jetzt, während der Touristensaison: Die Kundschaft ist zahlreich, auch am Wochenende, wenn das Geschäft geschlossen ist und die Spezialität nur aus dem Automaten vor dem Laden bezogen werden kann. Die Kühlschränke im Lagerraum seien voll, beruhigt Stadelmann, der fürs Fotoshooting extra einen Block holt. Er produziere dann schon wieder, im Moment sei er aber in Zeitnot.
Der Mozzarella des Ostens
Schwieriger zufriedenzustellen als die auswärtigen Besucher sind sowieso die Einheimischen, zumindest, was Bloderkäse angeht. Dieser leicht säuerliche, bissfeste Frischkäse mag blass aussehen und mit recht wenig Eigengeschmack als aromatisch zurückhaltend in Erinnerung bleiben. Doch in der Region ist Bloderkäse eine höchst emotionale Angelegenheit. Eine Delikatesse, sagen die einen. So was wie der Mozzarella des Ostens, meinen die andern. Es gibt jene, die auf Alpbloderkäse schwören und ihn «über d'Gass», also an Selbstbedienungsposten auf dem Feld beziehen. Andere haben ihren Lieblingskäser oder holen sich ihre Ration bei einem Grossverteiler.
Bloderkäse wird vor allem im Toggenburg konsumiert. Ennet der Wildhauser Passhöhe, in Werdenberg, ist man eher dem «Suurchäs» mit der speckartigen Rinde zugetan, die bei der Lagerung entsteht, im Fürstentum Liechtenstein dem «Surakäs». Das Gebiet des Bloderkäse-Sauerkäse AOP umfasst nur zwölf St. Galler Gemeinden von Amden über Wartau nach Wildhaus und das Toggenburg hinunter bis nach Ebnat-Kappel sowie alle Orte des Fürstentums.
Der Toggenburger mischt den griechischen Salat auf
Und ausgerechnet der Innerschweizer Stadelmann holt seit Jahren den ersten Rang bei den Swiss Cheese Awards für den besten Bloderkäse (und 2018 den besten Rheintaler Sauerkäse). Warum?
Betriebsgeheimnis, sagt Stadelmann natürlich. Erstens lese er zwischen den Zeilen. Wie ein Detektiv filtert er in Reportagen oder Interviews übers Käsemachen heraus, was da eben nicht stehe. Und zweitens: Bloderkäse von der Alp schmecke von Natur aus immer ein wenig nach «Chuegädele». Also nach Tier, nach Alphütte, nach Käsekessi. Er mache den Bloderkäse «zürichtauglich», hat Stadelmann auch schon gesagt. Dort – und andernorts in der Schweiz – wird ein Verwandter von Bloderkäse hergestellt: Ziger. Bei dem aber die entrahmte Milch viel höher erhitzt und dann Milchsäurekultur beigegeben wird.
Bloderkäse entspricht dank der abgerahmten Milch dem Zeitgeist: Sowohl die milde als auch die rässere Variante ist sehr kalorienarm. Und kann mit fast allem kombiniert werden, weil Bloderkäse nach wenig, höchstens ein bisschen säuerlich schmeckt. So ähnlich wie Feta, meint Stadelmann. Sein Rezeptvorschlag ist denn auch ein griechischer Salat mit Toggenburger Käse.
Auf der Website des Vereins Sauerkäse-Bloderkäse finden sich weitere Verwendungsideen (wenn man ihn denn nicht einfach so isst). Wie wärs mit einer Mousse mit Kapern? 100 g Bloderkäse, frisch und ungesalzen, 2 Esslöffel Magerquark, italienische Kräuter, wenig Meersalz, Pfeffer, Peterli gehackt, 1 Kaffeelöffel Meerrettich, 3 Kaffeelöffel Kapern gut mixen und auf ein Brot oder Cracker streichen.
Bloderkäse ist in der Ostschweiz erhältlich. Verkaufsorte auf www.toggenburgonline.ch/sauerkaese
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