Nach dem FlockdownDer riesige Zürcher Schneeberg
Die VBZ gehen davon aus, dass die Busse und Trams am Montag weitgehend wieder normal fahren können. Der Winterdienst musste dafür zu aussergewöhnlichen Mitteln greifen.

Traktoren mit Berner Nummernschildern fahren am Sonntagnachmittag vor dem Stadion Letzigrund auf. Ein Mann mit Earpods drückt die Schaufel seines Gefährts runter, füllt sie mit Nassschnee und rollt dann rückwärts auf die Strasse zurück. Dort entlädt er die weissgraue Masse in einen Lastwagen.
«Ich weiss nicht, ob wir das schon einmal machen mussten», sagt Tobias Nussbaum von ERZ. Normalerweise werden die Schneemaden an den Strassenrändern aufgeschichtet. Das Schmelzwasser fliesst in den Schacht ab.
Dieses Wochenende lag jedoch so viel Schnee auf den Zürcher Strassen, dass dies nicht möglich war, ohne entweder die Autos, den öffentlichen Verkehr oder die Fussgänger zu behindern. In der Nacht auf Sonntag entschieden die Stadtpolizei, die VBZ und ERZ deshalb, dass der Schnee wegmuss; sofort. Ein Unternehmen aus Bern konnte am schnellsten einspringen, sammelte an mehreren Stellen den Schnee ein und karrte ihn aus der Stadt heraus.

Bäume auf der Fahrleitung
Die VBZ rechnen damit, dass der Fahrplan am Montag weitgehend wieder eingehalten werden kann. Für die Nacht sei weniger Schneefall angesagt.
Am Freitag sah dies noch ganz anders aus. «Wintereinbruch», stand auf den Leuchttafeln an den Haltestellen. «Bis auf weiteres bleibt der Betrieb eingestellt.» Nur einmal ist dies in der 140-jährigen Geschichte der Verkehrsbetriebe vorgekommen. Vor dem Depot im Irchel lag zeitweise so viel Schnee, dass die Trams gar nicht ausfahren konnten. Umgeknickte Bäume beschädigten die Fahrleitungen der Trolleybuslinien. Sogar der Tram-Schneepflug, der 2006 zuletzt gebraucht wurde und eigentlich dazu da ist, die Geleise zu räumen, blieb stecken.
160 Mitarbeitende und 120 Fahrzeuge von ERZ pflügten zuerst die Hauptverkehrsachsen und die Wege zu den Schulen und Spitälern. Erst am Sonntag kamen sie dazu, die Quartiere zu pfaden.

Die Buslinie 91 und die Tramlinie 12 fuhren auch am Sonntag noch nicht. Ein Grossteil der Tramlinien konnte wieder auf den normalen Strecken verkehren.
Die S10 auf den Uetliberg, die seit Freitag nicht mehr fuhr, hat am Sonntagnachmittag ihren Betrieb wieder aufgenommen. Bis dahin war ein Ersatzbus im Einsatz. Auch seien viele Schlittler für einmal auf den Berg gelaufen statt gefahren, sagt Marco Lüthi, der Direktor der Sihltal-Zürich-Uetliberg-Bahn (SZU). Infolge des grossen Schnees waren mehrere Bäume auf die Fahrleitung der S10 gefallen und hatten diese beschädigt. Die Equipen der SZU mussten die Bäume aus dem Trassee entfernen, die Leitungen reparieren und mit dem Schneepflug die Strecke freischaufeln. Das dauerte. Nach einer Testfahrt konnte die S10 schliesslich kurz nach 14 Uhr wieder regulär fahren.
Wo der Schnee hinkommt
Nach dem Schnee am Freitag machte den VBZ am Sonntag vor allem die Kälte zu schaffen. Bei gewissen Gleisabschnitten, die nicht gesalzen wurden, bildete sich Eis. Die Mitarbeiter des Winterdienstes schlugen dieses mit dem Pickel weg, wie Mediensprecher Oliver Obergfell sagt. Ausserdem seien einige Autos so parkiert gewesen, dass die öffentlichen Verkehrsmittel nicht durchgekommen seien.
Den Schnee, den sie in Zürich aufsammelten, brachten die Berner Lastwagen auf einen Parkplatz beim Zoo. Dieser wisse noch gar nichts davon, sagt Tobias Nussbaum von ERZ, so schnell sei alles gegangen. Nahe der Masoala-Halle wird der Schnee aber nur zwischengelagert. «Unser Ziel ist es, ihn schlussendlich in die Klärbecken der ARA Glatt zu schütten», sagt Nussbaum. Von dort fliesse das Schmelzwasser ins Klärwerk Werdhölzli und nicht in die Natur, was wegen des Salzes wichtig sei. Die stillgelegte ARA Glatt im Norden der Stadt müsse dafür aber zuerst noch gepfadet werden.

Dass grosse Lastwagen mit Schnee gefüllt durch Zürich kurven, sei ökologisch nicht sinnvoll. «Es war aber unsere einzige Möglichkeit», sagt Nussbaum – und eine Ausnahme. ERZ werde nach dem aussergewöhnlichen Wochenende prüfen, was sich in Zukunft bei der Schneeräumung verbessern lasse. Auch der für die VBZ zuständige Stadtrat Michael Baumer kündigte an, die Abläufe zu analysieren. Was geschehen sei, komme nur alle 15 Jahre vor.
Tim Wirth ist Redaktor im Ressort Zürich Leben. Er hat Kommunikation studiert und schreibt seit 2019 über Politik- und Gesellschaftsthemen. Im «Züritipp» betreut er die Sparte Musik.
Mehr Infos@WirthTimFehler gefunden?Jetzt melden.