Der Schönwettermacher
SP-Präsident Daniel Frei bekommt für sein Geschick bei den Vermittlungen zwischen den Regierungsräten Fehr und der aufmüpfigen Juso fast nur Komplimente.

Ein Porträt von Ruedi Baumann(erstmals veröffentlicht am 16.8.2016)
«Es hat Platz von Mario Fehr bis zu den Juso», schrieb Daniel Frei (37) vorgestern im «Wort zum Sonntag» an seine Genossinnen und Genossen. Das zeigt einerseits die beträchtliche Bandbreite in der aktuellen Zürcher SP. Das zeigt aber auch, mit welchen Lappalien sich ein mässig bezahlter Kantonalparteipräsident an einem Sonntag mitten in den Familienferien herumschlagen muss. Er ist Blitzableiter, Mediator und Dargebotene Hand mit fast Rund-um-die-Uhr-Service. Soll die SP ein Burkaverbot verteufeln, die Integration von muslimischen Gemeinschaften oder die Halbierung des Stimmrechts für Alte gut finden? Oder die Strafklage der Juso gegen einen SP-Regierungsrat tolerieren? Das ist bloss die Spitze des Eisbergs an Schnapsideen, mit denen heute ein SP-Präsident konfrontiert wird.
Wer ist dieser Daniel Frei, der unauffällig moderierend hinter Parteigrössen wie Jositsch, Badran, den Galladés oder den Fehrs den Puls seiner Schäfchen temperiert oder seine wilden Jusos wieder einfängt? Wieso tut sich jemand so etwas an, wenn man als stiller Vermittler weder in den Nationalrat gewählt wird noch wenigstens für TeleZüri-Auftritte interessant wird?
Ein Linker und Netter
Daniel Frei ist in bestem Sinne ein Linker und Netter – und das ohne Hintergedanken. Und er ist der Zürcher Parteipräsident, der seine Partei weitaus am besten kennt. Und das kam so: An der Kanti Bülach hatte Daniel Frei aus Niederhasli einen Geschichtslehrer namens Markus Späth; der ist heute SP-Fraktionspräsident im Kantonsrat. Frei war Mitbegründer der Zürcher Schülerorganisationen, engagierte sich fürs Mittelschulgesetz und traf als 18-Jähriger im Jugendparlament auf einen anderen SP-Lehrer, den heutigen Regierungsrat Mario Fehr. Damals trat Frei in die «richtige» SP ein – ohne Umweg über Juso und Gewerkschaften –, weil sie seinen Werten entsprach. Dass er heute noch ein herzliches Verhältnis zu seinen Entdeckern hat, kann man ihm nicht verübeln.
Noch bevor Frei sein Studium in Politikwissenschaft, Völker- und Staatsrecht abgeschlossen hatte, stand er bereits im Solde der Genossen. Er hatte sich als Sekretär der SP-Kantonsratsfraktion beworben. «Er war einer von 15, die alle – ausser Frei – ihr Studium abgeschlossen hatten», erinnert sich der damalige Parteipräsident und heutige Nationalrat Martin Naef. «Wir schauten uns alle an und wussten gleich: Der ist es.» Frei sei schlicht und einfach «ein äusserst angenehmer Mensch», sagt Naef, Freis Vorvorgänger als Parteipräsident. Frei machte in der SP-Verwaltungshierarchie schnell Karriere: Fraktionssekretär, Politischer Sekretär, Generalsekretär – und kaum hatte er diesen Fulltimejob niedergelegt, wurde er vor vier Jahren als Parteipräsident angefragt.
Daniel Frei sei «engagiert, ruhig, klug und loyal», nehme sich für alle Leute und Anliegen Zeit und habe die Agenda trotzdem immer im Griff, sagt Martin Naef. Vor allem sei Frei einer der wenigen Politiker «ohne eine gewisse narzisstische Grundstörung», so Naef.
Dieser zurückhaltenden und ausgleichenden Art ohne Gepolter ist es wohl auch zuzuschreiben, dass Frei als amtierender Parteipräsident bei den letzten Nationalratswahlen von Ex-Juso-Präsident Fabian Molina geschlagen wurde und jetzt nur auf dem zweiten Ersatzplatz sitzt. Auch im Kantonsrat ist Frei kein Vielredner. Er selbst sagt, dass er «kein politisches Lebensziel» habe. Rein vom Alter und von seinem Intellekt her wäre Frei allerdings ab 2019 ein möglicher Regierungsrat – pikanterweise ausgerechnet als Nachfolger von Mario Fehr, der ihn heute dermassen auf Trab hält.
Kann auch hart verhandeln
SP-Kantonsrat Moritz Spillmann, drei Jahre unter Frei Vizepräsident, bezeichnet ihn als «perfekte Person für die Partei». Obschon ein Mann der leisen Töne, geniesse er mit seiner unaufgeregten Art von allen Seiten Respekt. «Wenn er ein Alphatier wäre, das laut trompetend vorausrennt, hätte er in der SP nicht die gleiche Wirkung, und das labile Gefüge könnte auseinanderbrechen.»
Negative Stimmen über Daniel Frei zu finden, ist schwierig. Bei den Grünen und der AL sind ihm nicht alle gutgesinnt, weil er bei den letzten Wahlen die Verhandlungen über die gegenseitige Unterstützung aus der Position des Stärkeren führte. Doch das ist bloss ein Beleg dafür, dass Frei nicht nur immer der Nette ist. Sogar SVP-Nationalrat Claudio Zanetti, der gleichzeitig mit Frei Parteisekretär war, ist des Lobes voll. «Klug, hochanständig und ein guter Typ.» Für den extrovertierten BDP-Kantonsrat Rico Brazerol ist Frei dagegen «etwas zu brav und stromlinienförmig».
Und was halten die Juso von ihrem oberen Chef? In seiner parlamentarischen Arbeit sei Frei «sehr gut», sagt Co-Präsident Lewin Lempert. Allerdings sei er «etwas harmoniebedürftig». Eine Partei sollte nicht zur Wohlfühloase werden. Die Juso wünschten sich einen Präsidenten, der «etwas mehr basis- und bewegungsorientiert ist und politisch links politisiert». Das Verständnis von Frei für das Burkaverbot «geht für uns nicht», sagt Lempert. Zudem möchten die Juso an Parteitagen mehr über politische Inhalte debattieren. «Auf der zwischenmenschlichen Ebene jedoch verstehen wir uns gut», so Lempert.
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