Der Schweizer Meister im Knöpfedrücken
Luca Boller ist vom FC Basel angestellt, um virtuellen Fussball zu spielen – und verhält sich fast wie die Zuffis und Steffens.

Hier hängt ein Plakat des nächsten Turniers, dort stehen Pokale auf einem Regal. Auf einem Tisch liegt ein Heft, GC-Trainer Murat Yakin ziert das Titelbild. Luca Bollers Büro ist seine Trainingsstätte, darin dreht sich alles um ein Thema: Fussball.
Genauer: E-Fussball. Das Plakat wirbt nämlich für ein Gameturnier, die Pokale hat Boller an E-Sport-Wettkämpfen gewonnen.
Luca «LuBo» Boller ist zweifacher Schweizer Meister im Videosimulationsspiel «Fifa». Mit zwei Sticks und vielen Knöpfen steuert der Zürcher virtuelle Fussballer. In seinem Sturm spielen Ronaldo, Benzema, Bale. Online kann er sich gegen Konkurrenten aus aller Welt messen.
Das Treffen im Hotel
Der 23-Jährige sitzt in einem Gamingstuhl, die Rückenlehne reicht bis zum Kopf, ein bequemer Arbeitsplatz ist Pflicht. Er trägt Sneakers, Jeans und keine Trainingshosen, wie man vermuten könnte. Er ist kein Sofagamer. Auf seinem Shirt prangt das Logo des FC Basel. Boller steht beim FCB unter Vertrag, als E-Sportler in einem Dreierteam. «Als ich mich mit den Clubverantwortlichen in einem Hotel traf, fühlte ich mich zum ersten Mal wie ein richtiger Fussballer. Es war absurd», sagt er.
Seither tritt Boller im Namen des grössten Schweizer Clubs an Turnieren und Onlinewettbewerben an. Die Nummer 77 gehört ihm, die 7 war bereits an einen realen Spieler vergeben: Luca Zuffi. Noch ist Boller nicht Profi und arbeitet zu 80 Prozent als Bankangestellter.
Dass er es so weit schaffen würde, hätte er sich dennoch nicht gedacht. Nicht, als er mit 4 Jahren zum ersten Mal seinem Vater beim Gamen zusah. Und immer noch nicht, als er mit 12 bereits 20-Jährige an einem Turnier bezwang. Aber Boller wurde zum Besten der Schweiz und verteidigte im Oktober seinen Meistertitel.
Gezieltes Training anstatt Gamemarathons
Heute ist Gamen sein Nebenjob, und er kann das Spiel problemlos weglegen. Das war aber auch schon anders. Doch Gamemarathons braucht er nicht mehr, «zwei bis drei Stunden pro Tag reichen vollkommen, um besser zu werden». Das sei etwa der Aufwand eines Erstligisten, der genau wie er nach der Arbeit trainiere.
Die Unterschiede zwischen einem gewöhnlichen Fussballer und einem E-Sportler sind gar nicht so gross. Er legt Wert auf gesunde Ernährung und genug Schlaf. Er will gute Interviews geben – und tut dies abgeklärt. Und er hat einen gewissen Leistungsdruck. Joachim Reuter, verantwortlich für die E-Sport-Abteilung beim FC Basel, sagt: «Der Meistertitel war das Ziel. Und Luca hat gezeigt, dass er im entscheidenden Moment da ist.»
Für Boller sind auch Talent und ein taktisches Verständnis entscheidend, um erfolgreich zu sein. Er analysiert seine Spiele selber oder mit seinen zwei deutschen Teamkollegen. Seit August sind die zwei Vollzeit-«Fifa»-Gamer bei Basel und schafften es gar an die WM. «Sie sind in den entscheidenden Szenen etwas klüger, vielleicht lockerer», sagt Boller.
Locker sieht es auch bei ihm aus, als er an diesem Abend trainingshalber Gegner um Gegner schlägt. Seinen Fans hat «LuBo» versprochen, sich beim Gamen zu filmen. «Streamen» nennt sich das. Boller sieht das Livevideo als wichtige Kontaktmöglichkeit. Er begrüsst jeden Zuschauer namentlich und geht auf Chatfragen ein.
50 Leute schauen Boller per Stream beim Gamen zu
Die Hobbygamer sehen in ihm ein Vorbild, täglich erhält er Spielanfragen. Die Fans wollen wissen, wie sie gegen den Schweizer Meister abschneiden. Um die 50 Leute sehen an ihren Monitoren zu Hause einen 23-jährigen Mann mit Dreitagebart, mit Haaren, die dank etwas Gel nach rechts frisiert sind, mit einem linken Auge, dessen Oberlid etwas weiter nach unten hängt als beim rechten. So, als würde Boller gerade zwinkern.
Seine Aktivitäten auf den sozialen Netzwerken zeigen: Für ihn ist nicht nur wichtig, wie gut und attraktiv er spielt, es ist auch entscheidend, wie unterhaltend er dabei ist. In Sachen Unterhaltung hat er sich auch schon als Hobby-DJ in Zürcher Clubs geübt. Entertainerqualitäten scheint er zu besitzen.
Als sein virtueller Torhüter einen Penalty hält, verrät Boller: «Jungs, ich kenne einen Trick, um herauszufinden, wo der Gegner beim Penalty hinschiesst. Ich verrate ihn euch später.» Und so bleiben die Zuschauer dran und sehen dem Schweizer Meister weiter beim Gamen zu. Ihrem Schweizer Meister im Knöpfedrücken.
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