Debatte zum Uetlihof-Kauf: Gemeinderat versenkt überraschend den Milliarden-Immodeal
Debatte zum Uetlihof-Kauf – Gemeinderat versenkt überraschend den Milliarden-Immodeal
Linke Stimmen haben den Bürgerlichen zum Sieg verholfen. Der Uetlihof-Kauf durch die Stadt Zürich ist vom Tisch. Wir berichteten live.
Und am Schluss siegte die vermeintliche Minderheit. Nach einer zweistündigen Debatte spricht sich der Zürcher Gemeinderat gegen den Uetlihof-Kauf aus. Er versenkt das Geschäft mit 61 zu 57 Stimmen.
Der Stadtrat wollte den riesigen Bürokomplex beim Albisgütli für mindestens 1,2 Milliarden kaufen. Er hatte Rückendeckung von der SP, der Mitte/EVP-Fraktion und der Grünen. Sie betonten, dass der Landkauf eine grosse Chance für zukünftige Generationen wäre, die auf dieser Landreserve dereinst günstige Wohnungen realisieren könnten.
Rein rechnerisch hätte diese Koalition gewinnen sollen. Doch es kam anders.
Am Ende konnten die Gegner der FDP, der SVP und der GLP jubeln. Sie bekämpften das «Hochrisikogeschäft» vehement. Zum Sieg verhalfen ihnen Linke. Bei den Grünen stimmten mehrere Räte – darunter Markus Knauss und Dominik Waser – gegen den Kauf. Und weil sich auch noch die AL kurz vor der Sitzung für ein Nein entschieden hatte, kippte die Mehrheit von einem Ja in ein Nein. Der Uetlihof-Kauf durch die Stadt ist damit vom Tisch.
Die Niederlage schmerzt die SP. In einer Mitteilung nach der Debatte kritisiert sie die «unheilige Allianz», die den Kauf zu Fall gebracht habe. Insbesondere die Rolle der AL missfällt den Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten. «Die SP ist enttäuscht, dass dieses wichtige Kaufgeschäft wegen der AL nicht zustande kommen kann.» Auch SP-Nationalrätin Jacqueline Badran äussert sich auf Twitter, sie spricht von «Verrat» durch die AL.
Zum Schluss sprich der zuständige Stadtrat Daniel Leupi (Grüne). Er betont die Einmaligkeit und die Wichtigkeit des Geschäfts. Strategisch sei es wichtig, Landreserven anzuschaffen. «Die grosse grüne Wiese gibt es in Zürich aber nicht mehr.» Die Stadt habe schon immer weit in die Zukunft investiert. Die Risiken seien tragbar, sagt Daniel Leupi. Es handle sich beim Uetilhof um das Herzstück der Credit Suisse. «Dort geht die Bank als letztes hinaus, falls es ihr schlecht gehen sollte.» Leupi verspricht, dass der Stadtrat keinen Fantasiepreis zahlen werde.
Reto Brüesch von der SVP sagt, er habe ein Déjà-vu gehabt, als er das Geschäft gesehen habe. Vor rund 10 Jahren habe er das Uetlihof-Dossier bei seinem Arbeitgeber, einem Immobilieninvestor, bereits auf dem Tisch gehabt. Damals hätten sie entschieden, dass es ein Hochrisikogeschäft sei. Es handle hier sich nicht um eine A-, sondern eine C-Lage. Der Kauf sei klar abzulehnen.
Die Debatte dauert nun schon zwei Stunden, die Argumente wiederholen sich. Die Fronten sind klar: Die Bürgerlichen, die GLP und die AL lehnen den Kauf ab. Die Stadt solle nicht unnötig spekulieren, die Immobilienpreisspirale weiter beschleunigen und die Finger vom Uetlihof lassen. «Sollte heute eine Mehrheit dem Kauf zustimmen, soll Herr Leupi bitte ein Gebot abgeben, das so tief ist, dass die Stadt den Zuschlag nicht bekommt», sagte etwa Severin Pflüger (FDP). Die Befürworter der SP, der Grünen und der Mitte/EVP betonen die grosse Chance, die der Kauf des grossen Landstücks biete. Rein rechnerisch hätten die Befürworter eine Mehrheit. Weil die linke AL Nein stimmen wird und es bei den Grünen Abweichler gibt sowie verschieden Rätinnen und Räte abwesend sind, ist noch unklar, wer sich am Ende durchsetzen wird.
Karin Weyermann (Die Mitte) geht davon aus, dass der Stadtrat sehr genau berechnet habe, wie weit er gehen möchte und den Uetlihof nicht überzahlen werde. Boden sei ein knappes Gut, das sich nicht vermehren lasse. Die Chancen stünden also gut, dass der Preis des Bodens in Zukunft steige und nicht verfalle. Dieses Land soll daher zu einem sauber berechneten Preis gekauft werden. «Wir erachten das als Riesenchance, die Risiken sind für die Stadt Zürich tragbar.»
Der grüne Dominik Waser lehnt den Kauf ebenfalls ab. Er schliesse sich den Voten der AL und von Markus Knauss an. Was ihm fehle sei die Klimaperspektive in der Debatte. Man könne nicht in die Zukunft schauen und davon ausgehen, dass die nächsten 100 Jahre gleich weitergehen würden, wie die vergangenen 100 Jahre. Klimakatastrophen würden in Zukunft die Wirtschaft enorm belasten. Diese Risiken würden auch Zürich betreffen, Anlagen würden stranden und wertlos werden. «Der globale Finanz- und Immobilienmarkt wird stark davon betroffen sein», sagt Waser. Jetzt ein Bürokomplex für eine Grossbank zu kaufen, erachte er als wenig sinnvoll.
Der Entscheid sei der AL schwergefallen. Doch die AL möchte kein Büromonster am Fusse des Üetlibergs kaufen. Der Preis für Grund und Boden sollte mit der beabsichtigen Nutzung verträglich sein, sagt Maag Sturzenegger. Das sei hier nicht gegeben. «Wir sind darauf angewiesen, dass die Credit Suisse bis 2037 ihre Hausaufgaben macht und ihre Miete zahlt», sagt sie. Tue die Mieterin das nicht, falle alles auf die Stadt zurück. Die Summe der Bedenken sei derart gross, dass die AL den Vorstoss ablehne. Der Preis für die vielen Fragezeichen sei zu hoch. Es sei ein Investmentvorhaben, aber keine strategische Sicherung von Wohnfläche. Dieser Kauf passe nicht ins Portfolio der AL.
Markus Knauss (Grüne) sorgt für eine kleine Überraschung. Er wird gegen den Uetlihof-Kauf stimmen – entgegen seiner Fraktion. Beim Uetlihof handle es sich um eine gut erhaltene Büroimmobilie – das sei auch 2052 auch noch so. «Würden wir dann preisgünstige Wohungen müsste viel Kapital verbrannt werden», sagt er. Der dann amtierende Finanzvorsteher müsse dann ganz viel Geld in die Hand nehmen, wenn er sich für einen Wonhungsbau entscheiden möchte. «Ob er oder sie dann den Mumm hat, dies auch zu tun, ist völlig offen.» Denn es brauche sicher einen Abschreiber – und zwar im Bereich von mehreren hundert Millionen. Preisgünstige Wohnungen seien dort kaum zu realisieren. Der Stadtrat wolle eine Immobilie zum Maximalpreis kaufen. «Der Uetlihof hat das Potenzial, preisgünstige zu realisieren nicht.» Deshalb stimme Knauss gegen den Kauf.
Auf der Liste der Rednerinnen und Redner befinden sich noch 17 Namen. Sie alle haben fünf Minuten Redezeit. Die Debatte dauert wohl noch gut eine Stunde.
Anthony Goldstein (FDP) sagt, es sei nicht sein Job als Gemeinderat, das Geld der Steuerzahlenden für eine unnötige Spekulation zu verschwenden. In vielen Gesprächen, die er in den letzten Wochen geführt habe, sei herausgekommen, dass fast niemand dieses Geschäft möchte. Die Stadt müsse ihr Geld für Sinnvolles ausgeben.

Immer wieder sei der Handlungsspielraum der Stadt eingeschränkt, weil der Boden fehle, sagt Florian Utz. Die Situation werde nicht einfacher. «Die Stadt wird wachsen», sagt er. Der Handlungsspielraum nehme also weiterhin ab. Regieren heisse vorausschauen, sagt Utz. So könne diese Weisung des Stadtrats interpretiert werden. Dieses Land sichere künftigen Generationen mehr Spielraum. «Ich gebe es offen zu, bis 2037 wird sich nichts ändern, bis 2052 aller Voraussicht auch nicht», sagt Utz. Ab dann gäbe es aber viele Optionen. «Eine künftige Generation kann entscheiden, günstigere Wohnungen zu realisieren, oder weiterhin die Büros an Firmen zu vermieten.» Deshalb müsse der Rat diese Chance nutzen.
Përparim Avdili (FDP) sagt, dass er einem «derart absurden Hochrisikogeschäft» nicht zustimmen könne. Der Kauf löse keine Probleme und schaffe keine einzige neue Wohnung. Die Stadt brauche das Geld ausserdem für Wichtigeres, für Schulhäuser oder den Klimaschutz.
Zuerst fragte sich Sven Sobernheim: «Wieso verkauft ein Staatsfonds den Uetlihof als Ganzes und filetiert ihn nicht?» Die Lösung habe er dann schnell erfahren. Der Verbau sei richtig verzwickt. Die Gebäude könnten nie mehr getrennt werden. «Dieser Gebäudekomplex ist keine Chance, sondern nur ein Risiko.» Deshalb lehne die GLP den Bau ab.

Das Uetlihof-Kauf übersteige die finanzielle Dimension der meisten Geschäfte, sagt Felix Moser (Grüne). Die Grünen hätten eine langfristige Perspektive gewählt, um das Projekt zu beurteilen. «Wir haben in unserem Entscheid, die Chancen und Risiken gegeneinander abgewogen.» Die Risiken würden in der Nutzung und bei den Finanzen liegen. Die Credit Suisse möge Schwierigkeiten haben. Dass die 8000 Arbeitsplätze dort aber verschwinden, sei kurzfristig aber kaum ein Risiko. Die Frage stelle sich: Wer würde überhaupt diese Liegenschaft kaufen wollen? «Ein chinesischer Investor?» Das würde einen Aufschrei geben, sagt Moser.
Einige Mitglieder der Grünen werden abweichen, sagt Moser. Sie würden den Klimaschutz höher gewichten.
Markus Haselbach (Die Mitte) findet die Vorlage finanziell attraktiv. Denn die Mieteinnahmen würden die Zinsen, welche die Stadt zahlen müsse, weit übertreffen. Dies setze allerdings einen nicht zu hohen Kaufpreis voraus. «Wir erwarten, dass der Stadtrat nicht überbordet beim Bieten», sagt Haselbach. Das Risiko schätze die Fraktion Die Mitte/EVP als tragbar ein.
Die AL hielt sich lange bedeckt, nun spricht Walter Angst. Leicht ist es der Partei nicht gefallen. Der Stadtrat habe eine stringente Erklärung geliefert. Es gehe um Landsicherung einer grossen Parzelle, es gehe um Sicherung von Arbeitsplätzen und drittens um eine neue Nutzung ab 2037. Der erste Punkt sei das zentrale, sagt Angst. «Die letzten Schulhäuser konnten wir nicht auf eigenem Boden bauen. Die Stadt Zürich lechzt nach Land», sagt er. Mit der Verdichtung könne die Stadt nicht ohne Land fertig werden. Nun sei die Fragestellung: Könne der Kauf dieses Problem lösen. Walter Angst sagt: «Nein.» Und: «Es darf nicht Sand in die Augen der Leute gestreut werden.» 1000 Wohnungen seien kaum realistisch umsetzbar, wenn überhaupt 650.
Seine Argumente fertig ausführen kann Walter Angst nicht, die Redezeit von fünf Minuten ist abgelaufen. Ratspräsident Matthias Probst (Grüne) beendet Angsts Votum. Dieses endet mit: «Jede Million, die wir mehr ausgeben für den Uetlihof, erhöht das Risiko massiv.»
Der Stadtrat habe die Gefahren des Geschäfts gut ausgeführt, sagt Johann Widmer (SVP). Leider ziehe er die falsche Schlüsse daraus. Es brauche nicht mehr Steuergeld, um subventionierte Wohnungen für die linke Klientel zu erstellen. Dahinter stehe eine sozialistische Ideologie. «Grund und Boden sollen aber in privater Hand bleiben», sagt Widmer. Für die Stadt sei das Risiko eines Kaufs viel zu gross. Immobilienfirmen seien besser qualifiziert, solche Geschäfte durchzuführen.

Für die FDP ist klar: «Wir leiden unter den steigenden Immobilienpreisen», sagt Pflüger. Ein Grund: Institutionelle Anleger würden viel Geld in diesen Immobilienmarkt pumpen. Was die Stadt heute mache, sie beschleunige die Spirale auf dem Immobilienmarkt. «Diese Investition wird 1 zu 1 auf den Bodenpreis der Stadt haben», sagt er. Auch deshalb würde es für uns alle in Zukunft teurer werden, in der Stadt zu leben.
Es gebe aber noch ganz viele weitere Argumente gegen diesen Kauf zu sein. So wäre der Kaufpreis etwa 3000 Franken pro Bewohnerin oder Bewohner. «Was verdienen wir daran nach Abzug der Zinsen? Ein 50er-Nötli», rechnet Pflüger vor. Und: «3000 Franken schulden, 50 Franken Ertrag.»
Zudem: Wenn die Credit Suisse 2037 aus dem Uetlihof ausziehen würde, werde es schwierig. Verwendung für die Stadtverwaltung sei wohl keine Option. Und würde man Wohnungen bauen wollen, müsste man drastisch abschreiben.
Pflüger gibt zu bedenken: «Das Koch-Areal war auch teuer, hatte 30'000 Quadratmeter, hatte aber nur 70 Millionen Franken gekostet.» Die Stadt gehe ein zu grosses Risiko ein bei diesem Geschäft. «Es ist eine Hauruckaktion», sagt Pflüger. Es sei keine seriöse Bodenpolitik.
Lisa Diggelmann (SP) bezeichnet das Geschäft als absolut einmalige Chance, um Landreserven zu sichern für die künftigen Generationen. 700 bis 1000 Wohnungen könnten auf dem Areal entstehen, wenn dies in 30 Jahren nötig sein werde. Zürich könne sich das leisten, sagt Diggelmann. Die Stadt habe ihre Schulden in den letzten Jahren um 1,5 Milliarden Franken abgebaut. Allein mit diesem Geld hätte die Stadt den Uetlihof kaufen können. Das zeige, dass das Geschäft wenig Risiko beinhalte.
Der Gemeinderat lehnt mit 82 zu 29 Stimmen den Antrag auf Nichteintreten ab. Die inhaltliche Diskussion zum historischen Immobiliendeal kann beginnen.
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