Kommentar zu Corona-LockerungenDer Sommer wird ein anderer sein
Konzert-, Theater- und Clubbesuche sind wieder möglich. Doch das Kulturerlebnis ist nicht mehr dasselbe.

Die grosse Gefahr ist vorerst vorüber. Infizierten sich im März an einzelnen Tagen in der Schweiz über tausend Menschen mit dem Coronavirus, meldet das Bundesamt für Gesundheit inzwischen nur noch wenige Fälle pro Tag. Die «ausserordentliche Lage», die der Bundesrat am 16. März verkündet hatte, hat sich entschärft.
Folgerichtig wechselt die Landesregierung jetzt von Alarmstufe Rot auf Orange; ab dem 19. Juni befinden wir uns nur mehr in einer «besonderen Lage». Handelte die Exekutive zu Beginn der Pandemie – die dramatischen Bilder aus dem italienischen Bergamo vor Augen – unter enormem Zeitdruck, ist ein Durchregieren im Notrecht demokratiepolitisch nicht länger vertretbar.
Die Wege aus der Krise sind umstritten. Kantone, Parlamente und – ja! – auch die Menschen auf der Strasse müssen wieder mehr mitreden und sich versammeln können. Den Schweizern sind Machtballungen seit je suspekt: Wir grüssen keinen Hut! So ist es an der Zeit, die exekutive Selbstermächtigung und Vollmacht des Bundesrates zu beenden und in die teils mühsamen, aber für eine breite Akzeptanz so wichtigen Prozesse des Streitens und Aushandelns demokratischer Lösungen zurückzufinden.
Die neue Phase bedeutet keine Rückkehr in die alte Normalität. Das Experimentieren geht weiter.
Die neue Phase bedeutet jedoch keine Rückkehr in die alte Normalität. Zwar darf man in den Clubs wieder tanzen, an Konzerten mitsummen und im Kino Popcorn mampfen. Nicht nur der Tourismus, auch die Kultur erwacht unter strengen Abstands- und Hygieneregeln zu neuem Leben, und das stimmt froh, beschlich einen doch zeitweise das beklemmende Gefühl, dass sich der Retterstaat mehr um unseren Konsum als unsere Kultur sorgt. Der Sommer wird aber ein anderer sein, Theater zwischen Plexiglas und Absperrband vielleicht befremdlich. Das Experimentieren geht weiter.
So darf sich der politische Diskurs nicht länger in Debatten um Corona-Massnahmen und ökonomische Folgen erschöpfen. Es geht, wie die Philosophin Svenja Flasspöhler es formuliert hat, nicht nur um Maske Ja oder Nein. Flieger fliegt oder nicht. Zoo offen oder zu. Corona ist eine Zäsur für unsere Gesellschaft. Statt uns einfach dem gefährlichen Drang zum Status quo ante hinzugeben, sollten wir auch darüber nachdenken und diskutieren, was wir wirklich zu einem guten Leben brauchen.
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