
Die Debatte um die Durchsetzungsinitiative steigert sich zum Ruf, die Rufe schrillen zum Schrei, die Schreie münden in Hysterie. Dass die extreme Rechte schreit, gehört zu ihrem Konversationsstil. Ihre Forderungen gleichen Schlagzeilen des Boulevards: kurz, radikal und mit Ausrufezeichen versehen. Abstimmungsplakate ohne Bild. Alles passt in ein paar Worte: Kriminelle Asylbewerber raus! Schweizer Richter sind Verräter! Schützt unsere Alpen! Wobei, halt: Das war eine Initiative, die angenommen und trotzdem nie umgesetzt wurde. Aber die kam ja von links.
Doch wie steht es um die Gegenseite? Es kann vorkommen, dass sie ihr Anliegen bestimmt, aber ohne Entwertung der Gegner vorträgt. So haben das über hundert Rechtsprofessoren in einem knappen Manifest getan, das die NZZ gestern publik machte. Sie sähen, schreiben sie, die schweizerische Rechtsordnung «mehrfach und in schwerwiegender Weise» gefährdet.
Aber das ist die Ausnahme, wie der laufende Abstimmungskampf belegt. Liest man die Zeitungen, springen einen die Vorwürfe gegen die Durchsetzungsinitiative aus allen Seiten an: unmenschlich! Apartheid! Frontalangriff! Unschweizerisch! Antidemokratisches Monster!
Trotz gegen Verunglimpfung
Wem dieser Sound bekannt vorkommt, dem kommt er bekannt vor, weil er bekannt ist: Es ist der Sound der Süffisanz. Wozu dieser führt, konnte man an mehreren Abstimmungsresultaten studieren. Zum Beispiel dem zur Anti-Minarett-Initiative: Fast alle Medien, alle Lehnstuhlbischöfe und Berufsbetroffenen tobten wochenlang gegen sie an. Darauf wurde sie klar angenommen. Natürlich stimmte die Mehrheit nicht gegen die paar Minarette, sondern stellvertretend gegen den Islamismus. Aber auch aus Trotz gegen ihre Verunglimpfung.
Zum Beispiel die Minder-Initiative: Die Wirtschaft versuchte Thomas Minder schlechtzureden. Resultat: Seine Initiative wurde hoch angenommen. Zum Beispiel das Referendum gegen das Fernsehgesetz: SRG-Generaldirektor Roger de Weck spielte sich zum Bewahrer der Schweiz auf und sprach seinen Gegnern die Kompetenz in der Sache ab. Das Referendum scheiterte äusserst knapp.
Ja, es ist gemein: Wenn die SVP Staat, Richter und Parlament verhöhnt, sehen sich viele im Volk in ihren Ressentiments bestätigt. Wenn ihre Gegner die SVP verhöhnen, sehen sich noch mehr im Volk in ihren noch grösseren Ressentiments bestätigt. Es ist gemein, muss aber gewärtigt werden.
Jedenfalls hatte der Leserbriefschreiber recht, der sich über den «blinden Eifer» der Propaganda beklagte, mit der Bundesrat und Beamte das Volk bedrängen würden. Das war am 20. November 1992. Zweieinhalb Wochen später, nach einer hysterischen Pro-Kampagne, stimmte eine knappe Mehrheit gegen den Schweizer EWR-Beitritt.
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Der Sound der Süffisanz
Die SVP kann ihre Gegner verhöhnen, diese sollten es unterlassen. Ja, das ist gemein.