Der spanischen Krone fehlt ein Zacken
Das Königshaus ist mit einer Geschäftsaffäre um den Schwiegersohn von König Juan Carlos konfrontiert, den früheren Handballstar Iñaki Urdangarín.
Von Oliver Meiler, Barcelona Wegducken bringt schon lange nichts mehr. Das Schweinwerferlicht ist so direkt auf den Madrider Zarzuela-Palast gerichtet, dass dem Volk, diesem sonst so geneigten Publikum, keine Regung des spanischen Königshauses entgeht. Und da interessiert nun mal jedes Wort und auch jedes Schweigen, gerade jetzt, da sich ein Schatten auf den Palast gelegt hat. Eine Affäre um mutmasslich gefälschte Rechnungen, fingierte Beratermandate, zweifelhafte Kommissionen, veruntreute Staatsgelder und verdeckte Millionenkonten erschüttert das Prestige der Krone. Jeder Tag bringt neuen Stoff, neue Schlagzeilen und neue Sondersendungen am Fernsehen. So viel Öffentlichkeit gab es seit Jahrzehnten nicht. In den Zeitungen erscheinen Leitartikel mit Titeln wie diesen: «Die Monarchie», «Die Krone», «Das Königshaus und die Beispielhaftigkeit». Nicht der König selbst, Juan Carlos, steht im Zentrum der Affäre, sondern einer seiner Schwiegersöhne. Jener obendrein, der einst, als er vor 14 Jahren ins Königshaus heiratete, wie eine Lichtgestalt empfangen worden war, wie einer, der den Draht zum Volk noch hätte stärken, ja sogar stählen können: Iñaki Urdangarín, 43 Jahre alt, früher ein beliebter Handballer, nun Ehemann von Infantin Cristina, Herzog von Palma, Vater von vier Kindern, den Enkeln des Königs. Es geht um 16 Millionen Euro Urteilt man nach der Entschlossenheit des Untersuchungsrichters von Palma de Mallorca und dem Stand seiner Ermittlungen, dann dürfte Urdangarín wohl bald angeklagt werden. Noch gilt er erst als beschuldigt. Man wirft ihm vor, er habe in seiner Zeit als Präsident der gemeinnützigen Sportförderungsstiftung Noos, zwischen 2004 und 2009, Firmen und Regionalverwaltungen heillos überteuerte Dienste für Beratungen und Veranstaltungen verkauft und dabei seine Rolle als Royal ausgenutzt. Zur Debatte stehen 16 Millionen Euro. Von diesem Geld soll vieles auf Konten von Banken geflossen sein, die ihren Sitz in Steuerparadiesen haben. Die Fährte zum Herzog legte ein früherer Geschäftspartner und Freund von Urdangarín, der es leid war, allein geradestehen zu müssen fürs Business. Verhängnisvoll waren aber auch die vielen Korruptionsuntersuchungen im Dunstkreis der Regionalregierungen von Valencia und der Balearen, der beiden Hauptquellen von Noos. Urdangarín wurde vom Gericht von Palma vorgeladen – eine Premiere. Bis zum 25. Februar hat er Zeit, sich dort zu zeigen. Es sollen ihm keine Privilegien zugestanden werden, gar keine. Wie ein normaler Bürger soll der Herzog von der Justiz behandelt werden. So will es der Schwiegervater, dessen Gemütszustand vernehmlich zwischen grossem Ärger und grosser Sorge schwankt. Juan Carlos' Popularität ist zwar ungebrochen: 80 Prozent der Spanier mögen ihren Monarchen, der seit dem Tod Francos 1975 auf dem Thron sitzt. Sie ehren ihn als Garanten der jungen Demokratie, als Brückenbauer, als grössten gemeinsamen Nenner in einem Land mit vielen rivalisierenden regionalen und kulturellen Seelen. Doch der Imageschaden dieser Affäre lastet schwer, umso schwerer noch, als die Wirtschaftskrise die Spanier mit besonderer Wucht trifft, mit rekordhoher Arbeitslosigkeit, steigender Inflation und gekürzten Sozialleistungen. Und so fühlte sich Juan Carlos bei seiner Neujahrsansprache gedrängt, zum ersten Mal offenzulegen, wie sein Haus die 8,4 Millionen Euro ausgibt, die ihm jedes Jahr aus der Staatskasse zufliessen. Ohne viele Details zwar und ohne Erklärung zu seinem Milliardenvermögen, aber immerhin. Davor hatte er Urdangarín schon von allen zeremoniellen Funktionen entbunden. Der König will keine Familienfotos mehr im Umlauf sehen, auf denen der Herzog aufscheint. Und mit seiner Tochter Cristina soll er auch nicht eben glücklich sein. Sie war Sprecherin von Noos. Der ideale Schwiegersohn Dabei hatte diese Liebesgeschichte so verheissungsvoll begonnen, 1996, an den Olympischen Spielen in Atlanta. Die Königstochter trat dort als Seglerin an, Urdangarín gewann mit der spanischen Handballnationalmannschaft Bronze. Er hatte alles, was einen idealen Schwiegersohn von spanischen Royals ausmacht: Sohn aus gutem Haus, Vater baskischer Banker, Mutter aus belgischem Adel, erzogen an katholischen Gymnasien, aufgewachsen im katalanischen Barcelona, eine internationale Karriere als Sportler, 146-mal spanischer Nationalspieler. Er brachte Dynamik in die Zarzuela und liess sich vom Glamour des Palasts umwehen. Die Peoplepresse liebte das fotogene Paar. Und auch seine Körpergrösse passte gut ins Familienbild der gross gewachsenen Bourbonen: 1,96 Meter. Nach dem Ende seiner Sportlerlaufbahn erwarb sich Urdangarín ein MBA an einer Businessschule in Barcelona und warf sich bald ins Geschäft, das er aus seiner Aktivzeit gut kannte, nur von der anderen Seite. Er vermischte die Rollen. Dem König gefiel das nur mässig. Juan Carlos erfuhr offenbar schon früh von unlauteren Geschäften. Vor drei Jahren riet er dem Schwiegersohn und der Tochter, ins Ausland zu ziehen. Sie nahmen den Rat an, gaben ihre Funktionen bei Noos auf und zogen nach Washington um. Urdangarín heuerte als Manager des spanischen Telekommunikationsunternehmens Telefonica an. Die Presse feierte auch diesen Umzug als glamouröse Wandlung. Nun ist plötzlich alles anders, und das Image der königlichen Familie hat Kratzer. Eine Karikatur in der Zeitung «El Pais» zeigt eine Krone und einen Kubus, dazu diesen Satz: «Wenn eine Krone die Formen verliert, dann ist sie nur noch ein Stück Metall.» Bildlegende. Foto: Vorname Name (Agentur)
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