Videobeweis im Schlachthof«Die Tiere werden sanfter behandelt»
Der Ständerat entscheidet heute über die obligatorische Videoüberwachung in Schlachtbetrieben. Die Branche ist dagegen, doch Fleischverarbeiter setzen teils heute schon darauf.

Tiere auf dem Hof zu schlachten, ist vom 1. Juli an offiziell erlaubt. Der Entscheid, den der Bundesrat letzte Woche gefällt hat, kommt für Mischa Hofer einem Startschuss gleich: Der 42-Jährige aus dem bernischen Lützelflüh bietet mit seiner Firma Bauernbetrieben und Fleischvermarktern neu an, Rindvieh, Schweine sowie Ziegen und Schafe direkt vor Ort zu töten. «In vertrauter Umgebung und ohne Transport- und Schlachthofstress», sagt Hofer.
Dabei wird jede Schlachtung gefilmt, die Ohrmarken-Nummer des Tiers soll die Rückverfolgbarkeit sichern. «Wir bieten gegenüber den Konsumenten so völlige Transparenz», verspricht Hofer. Er ist überzeugt, dass die Videoüberwachung auch die Mitarbeiter und Bauern sensibilisiere: «Die Tiere werden sanfter behandelt.»
Hofer unterstützt deshalb einen Vorstoss von Daniel Jositsch (SP), über den am Mittwoch der Ständerat entscheidet. Neu sollen in allen Schlachtbetrieben Videokameras laufen müssen. Nach heutiger Rechtslage bestimmen die Schlachthofbetreiber jeweils eine Person, die für die Kontrolle zuständig ist, begleitet von stichprobenartigen Überprüfungen durch amtliche Tierärzte. Anders als diese Form der Selbstkontrolle seien Videoaufnahmen eine «zuverlässige und objektive Vollzugsgrundlage für die amtlichen Tierärzte», so Jositsch.
Bericht des Bunds deckt Mängel auf
Der SP-Politiker will mit dem Einsatz von Videokameras das «immense Leiden» der Tiere lindern. Wie ein Bericht des Bunds Anfang Jahr gezeigt hat, lässt ein Teil der Schlachthofbetreiber die Tiere unnötig leiden. Die Kontrolleure nahmen 67 Betriebe unter die Lupe, also 10 Prozent der Branche. Die Mehrheit der untersuchten kleineren Betriebe und knapp die Hälfte der Grossbetriebe wiesen im Bereich Tierschutz Defizite auf, insbesondere bei der Betäubung, der Tötung sowie dem Entbluten.
Der Schweizer Fleisch-Fachverband lehnt Jositschs Forderung ab. Er befürchte hohe Investitionen und eine unangemessene Belastung, gerade auch mit Blick auf die Mitarbeiter. Kritiker sprechen von einem Klima des Misstrauens, das geschaffen werde. Jositsch dagegen will die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter und das Datenschutzrecht wahren, indem nur die zuständigen Behörden das Videomaterial einsehen können und dieses zeitlich begrenzt aufbewahrt werden soll.
«Gerade in den mittleren und kleineren Schlachtbetrieben sind viel zu selten amtliche Tierärzte vor Ort, um Probleme zu sehen.»
Auch der Bundesrat empfiehlt den Vorstoss zur Ablehnung. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) arbeitet eigenen Angaben gemäss daran, die Situation zu verbessern. Insbesondere habe es die zuständigen kantonalen Behörden aufgefordert, in den betroffenen Betrieben mit Sofortmassnahmen eine tierschutzkonforme Situation herzustellen.
Von diesen Verbesserungen, wendet Cesare Sciarra vom Schweizer Tierschutz (STS) ein, merke man «nicht viel». «Gerade in den mittleren und kleineren Schlachtbetrieben sind viel zu selten amtliche Tierärzte vor Ort, um Probleme zu sehen.» Die Videodokumentation könne deshalb ein wichtiger Ansatzpunkt für Verbesserungen sein.
Micarna und Bell setzen auf Kameras
Zu den Branchenakteuren, die heute schon auf Video setzen, gehört der Fleischerverabeiter Micarna. In Courtepin FR überwacht eine Kamera den Schlachtprozess. Das habe einerseits den Vorteil, dass ein abnormales Verhalten von Tieren erkannt werden könne, sagt ein Sprecher. «Andererseits ermöglichen diese Aufzeichnungen jederzeit einen Einblick in den Betäubungs- und Schlachtprozess – zum Beispiel für Kontrolleure des Schweizer Tierschutzes auch rückwirkend zum eigentlichen Kontrollbesuch.»
Micarna betont, das Instrument zum Wohl der Tiere einzusetzen – nicht zur Überwachung der Mitarbeiter. Wie viele Vorfälle dank Kamera transparent geworden sind, dazu äussert sich Micarna nicht. Ebenso unbeantwortet lässt die Firma die Frage, was mit fehlbaren Mitarbeitern passiert.
Auch der Fleischverarbeiter Bell, der ebenfalls Kameras einsetzt, geht darauf nicht direkt ein. Die Bilder nutzt er eigenen Angaben gemäss unter anderem für interne Schulungen. «Für eine gute Schlachtpraxis spielen Videoaufnahmen allerdings nicht die Hauptrolle», sagt ein Sprecher. Wichtig seien vielmehr gut geschulte Mitarbeiter, optimale Abläufe sowie einwandfrei funktionierende Kontrollmechanismen.
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