Der Wahnsinn unter Ceausescu
Während der Diktatur in Rumänien hingen Bauern Äpfel an Bäume und Schweine wurden schon mal vergast - um keinen Lärm zu machen. Diese und andere Absurditäten erzählt der Film «Tales from the Golden Age».
In Rumänien herrscht künstlerisch gesehen Hochwasserstand: Das derzeit spannendste Filmland Europas bringt pechschwarze Werke voller Mitgefühl und Galgenhumor hervor. Bisheriger Höhepunkt war das mit der Goldenen Palme geehrte Abtreibungsdrama «4 Months, 3 Weeks & 2 Days». Nach einer Vorführung fragte damals in Cannes ein verwirrter Zuschauer Regisseur Cristian Mungiu, wo denn die populären Filme fürs Publikum blieben. Der erwiderte: «Gute Frage!» - und trommelte daraufhin aufstrebende rumänische Filmemacher zusammen. Sie sollten gallige Anekdoten aus der Zeit der Ceausescu-Diktatur inszenieren.
Das Resultat ist dieser fabelhafte Episodenfilm, in dem vier Regisseure tragikomische Alltagsgeschichten erzählen, von denen es schön wäre, sie hätten wirklich so stattgefunden. Laut der Legende vom hohen Besuch beispielsweise haben einmal Bürger ihr Dorf für die Parteivisite aufgehübscht: Kühe wurden geschrubbt, Tauben und Schafe geordert. Für die gefühllosen Funktionäre aber hatten die Vögel dann die falsche Farbe, und statt Schafen trieb einer Ziegen ins Dorf - eine Farce. Darauf folgt der Scherz von den Zeitungsleuten, die im Zigarettenqualm ein Foto von Präsident Ceausescu retuschieren, das ihn beim Staatsbesuch blöderweise mit gezogenem Hut zeigt. Zwecks Demonstration von Stärke muss wieder ein Hut aufs Haupt, nach der Retusche allerdings hat er deren zwei.
Humor als Überlebensstrategie
Am komischsten und beklemmendsten ist das tragische Ende einer Sau, erzählt aus der Perspektive von Kindern. Was soll der Familienvater mit dem geschenkten Schwein? Schlachtet er es, weckt er die hungerleidenden Nachbarn. Die Lösung? Vergasen. Schwer liegt das Schwein in der Küche, nachdem das Gas aus dem Backofen geströmt ist - doch es kommt schlimmer. Zum Schluss inszeniert Cristian Mungiu eine Liebesgeschichte zwischen zwei Jugendlichen, die vorgeben, in offizieller Mission Wasserproben zu sammeln - damit sie die Behältnisse als Altglas verscherbeln können; nicht zufällig schaut das Diebespärchen «Bonnie & Clyde» auf Video.
Dass Humor eine Überlebensstrategie in der Tyrannei ist, zeigt der Episodenfilm mal beissend, mal unbeschwert. Die vier Geschichten unterscheiden sich formal stark voneinander; doch am Ende bleibt das Gelächter im Kinosaal.
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