Der Zürcher Restaurantgast, das unverschämte Wesen
No-Shows, Forderungen nach Gratiskaffee und Erpressung: Die Liste der Ärgernisse für Gastronomen ist lang.

«Grüezi, wir würden gerne bei Ihnen einen Tisch für sechs Personen reservieren, aber wir kommen nur, wenn es das Dessert und den Kaffee gratis gibt.» Dieser Satz mag wie ein Primarschüler-Telefonscherz klingen, kommt so oder ähnlich in Zürich jedoch alles andere als selten vor. Dass es in der Stadt zumindest quantitativ ein Überangebot an Restaurants gibt, ist der Kundschaft nicht verborgen geblieben; also spielt sie mit dem alten Marktgesetz von Angebot und Nachfrage und droht auch schon mal mit einer schlechten Bewertung im Internet.
Die Situation der Wirte, die zur Kundengewinnung auch bei Rabatt-Büechli und -Portalen mitmachen, ist verzwickt. Was tun, wenn die Kasse leer ist und an einem Tag mit wenigen Reservationen so ein Dessertschnorrer oder eine Gratisweinschinderin anruft? Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach haben und riskieren, dass sich die Erpressbarkeit herumspricht? Oder stolz und standhaft bleiben, dabei aber gar nichts statt wenigstens ein bisschen etwas verdienen?
Die No-Show-Problematik
Jene, die nach einem ausgiebigen Mahl mit einer oder zwei guten Flaschen Wein dann noch einen Schnaps offeriert haben möchten, nehmen sich dagegen fast schon vorbildlich aus. Wobei auch sie vergessen: Die Lokale hier haben eigentlich nichts zu verschenken; rund zwei Drittel schreiben rote Zahlen, darunter auch solche, die vieles richtig machen.
Noch schlimmer als schwierige Gäste sind für Restaurants die sogenannten No-Shows. Diese kündigen zwar ihr Kommen an, erscheinen dann aber nicht – ohne sich abzumelden. Die Folge: ein Einnahmeausfall, der bei einem gehobenen Lokal gut und gerne das Tagesgehalt eines Mitarbeiters ausmachen kann. Und: Es gibt Restaurants, in denen an gewissen Wochenenden ein Drittel der Tische von No-Shows betroffen war! Manch einer reserviert einmal vorsorglich an zwei oder drei Orten und entscheidet sich dann spontan für eine Option. Für die anderen gibts bestenfalls eine kurzfristige Absage. Bestrebungen, wie in manchen Lokalen im Ausland bei der Reservation die Kreditkarte des Gastes mit einem Garantiebetrag zu belasten, gab es immer wieder. Das Prozedere durchzusetzen, wagt dennoch keiner.
Die Kundschaft nimmt sich immer mehr heraus, reagiert aber sehr empfindlich, wenn ein Wirt sich einmal wehrt. Bestes Beispiel: die Polemik, die zu Beginn des vergangenen Jahres entstand, als die Wirtschaft Neumarkt von Gästen, die keinen Hauptgang konsumierten, einen Zuschlag von 10 Franken verlangte. Wer nur etwas Kleines essen will, kann dies gleich nebenan im charmanten Neumarkt-Café tun. Mit den Plätzen im Restaurant muss der Betrieb aber seine Personalkosten decken, ob er will oder nicht.
Ein ständiges Diskussionsthema sind natürlich auch die Preise. Ein Essen in Zürich kostet schliesslich substanziell mehr als in Berlin oder Barcelona. Aber verdienen nicht auch die Esser hier substanziell mehr als jene in den zum Vergleich so gern herangezogenen Städten? Eben!
Der Chef eines Zürcher Restaurants im gehobenen Segment, das von Insidern nicht zuletzt wegen seines ausgezeichneten Preis-Leistungs-Verhältnisses gerühmt wird, erzählte mir kürzlich, dass gerade seine Preispolitik bei Onlinebewertungen immer wieder kritisiert werde. Es fehlt ganz offensichtlich am Verständnis dafür, was Gastronomie auf dem Platz Zürich kostet. Filigrane Weingläser zum Beispiel sind nicht nur filigran, sondern auch zerbrechlich, und die strahlend weissen Tischdecken sähen ohne Pflege bald einmal aus wie das Gebiss eines Kettenrauchers. Darum, liebe Zürcher, denkt, bevor ihr schnödet!
So schlimm wie im folgenden «South Park»-Clip, der sich mit dem Verhältnis von US-Gastronomen und Gästen befasst, die vernichtende Kritiken auf Yelp schreiben, muss es hier ja nicht werden.
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