Geldwäsche im Nachbarland«Deutschland gehört auf die schwarze Liste»
100 Milliarden Euro fliessen jährlich auf dunklen Kanälen in das Land. Besonders beliebt ist der Immobiliensektor. Kritiker fordern eine strengere Durchsetzung der Gesetze.

Platzt ein internationaler Korruptionsskandal, dann ist fast regelmässig auch die Schweiz involviert. Und das bestätigt jeweils das Bild, das vielerorts im Ausland über die Geldwäschernation in den Alpen gepflegt wird. Unter anderem auch beim nördlichen Nachbarn. Dumm nur, nun steht auch Deutschland am Pranger.
Die Antikorruptionsorganisation Transparency Deutschland attestiert dem Land in einer Studie ein «massives Problem mit Geldwäsche». Die Politik und Behörden würden dagegen nicht ausreichend vorgehen. «Deutschland gehört auf die schwarze Liste der Geldwäsche-Risikoländer und dürfte die aktuelle Prüfung der FATF nicht bestehen», sagte Christoph Trautvetter, Autor der Studie und Mitarbeiter des Netzwerk Steuergerechtigkeit.
Das internationale Anti-Geldwäsche-Gremium Financial Action Task Force (FATF) prüft derzeit die Effizienz der zuständigen Behörden in Deutschland. Experten rechnen erneut mit einer schlechten Note, schon 2010 fiel das Kontrollergebnis katastrophal aus. Deutschland gilt als Geldwäscheparadies: es werden jährlich rund 100 Milliarden Euro gewaschen. Die Bundesregierung erhielt jüngst wieder einen Rüffel der EU-Kommission, weil man die EU-Geldwäscherichtlinie nicht komplett umgesetzt hatte.
«Jede Transaktion hinterlässt Spuren im internationalen Finanzsystem.»
Transparency Deutschland fordert die Aufstellung einer Bundesfinanzpolizei zur präventiven Finanzermittlung. «Das wäre der grösste Hebel, um anonyme Eigentümerstrukturen und Finanzströme zu ermitteln und zu sanktionieren», sagt der Experte. «Jede Transaktion hinterlässt Spuren im internationalen Finanzsystem.» Die Banken nutzen hierfür das Swift-Netzwerk, wo alle Zahlungsströme erfasst werden können. Allerdings sehen die einzelnen Banken niemals die ganzen Transaktionsketten, sondern nur den Absender der letzten Überweisung.
«Dieses Problem könnte leicht gelöst werden», sagt Trautvetter. Er fordert, dass sich Zentralbanken stärker im Kampf gegen Geldwäsche einbringen. «Die Zentralbanken analysieren ihre Daten heute auf Finanzmarktstabilität. Sie müssten diese aber auch auf Finanzmarktintegrität hin untersuchen und Geldwäschestrukturen des Finanzmarkts aufdecken.» Ein Fall wie der Danske-Bank-Geldwäschereiskandal würde Verwerfungen erzeugen und damit auch die Stabilität des Finanzmarkts beeinträchtigen.
Vor allem der Immobiliensektor zieht Schwarzgeld an
Neben den Banken ist auch der Nichtfinanzsektor ein Einfallstor für kriminell erwirtschaftetes Kapital. Vor allem der Immobiliensektor zieht das Schwarzgeld an. Man darf Immobilien in Deutschland immer noch in bar bezahlen, zudem ist oft unklar, wer hinter dem offiziellen Käufer steckt. «Bei jeder zehnten Immobilie in Berlin hat man keine Möglichkeit, den wahren Eigentümer zu ermitteln», sagt Trautvetter. Neben der Immobilienbranche gehören Casinos, Juweliere, Auto- und Edelmetallhändler sowie Rechtsanwälte und Notare zu den sogenannten Verpflichteten im Nichtfinanzsektor. Diese Berufsgruppen müssen Meldung machen, wenn ihnen ein Geschäft verdächtig vorkommt – doch das geschieht nur selten.
Für die Kontrolle dieser Meldepflicht sind die Aufsichtsbehörden der Bundesländer zuständig. Der Bundesrechnungshof, in Deutschland die oberste Kontrollbehörde in Finanzfragen, kritisierte jüngst, dass es dort viel zu wenig Personal gebe. Die Aufsicht im Nichtfinanzsektor entspreche daher «nicht den gesetzlichen Anforderungen».
Die Prüfer fanden auf Basis der Zahlen heraus, dass ein Verpflichteter in Deutschland durchschnittlich nur höchstens alle 200 Jahre mit einer Vor-Ort-Prüfung rechnen müsse. Experte Trautvetter fordert daher: «Wir brauchen keine neuen Gesetze, wir brauchen nach 30 Jahren endlich eine effektive Umsetzung der Gesetze.»
Fehler gefunden?Jetzt melden.