«Deutschlands Beitrag wird zu wenig gewürdigt»
Berlin befindet heute über ein drittes Hilfspaket für Athen. Der Ökonom Clemens Fuest plädiert für einen Grexit oder eine «Griechen-Steuer».

Herr Fuest, in einem Artikel in der FAZ fordern Sie eine Griechen-Steuer für Deutschland. Weshalb? Da ich selbst nicht für das Hilfsprogramm bin, bin ich eigentlich auch nicht für diese Steuer. Aber: Wenn nun das Paket angenommen wird, bin ich der Meinung, dass den Bürgern klargemacht werden muss, um was es geht. Eine Erhöhung der Solidaritätssteuer würde Transparenz schaffen. Griechenland ist bereits massiv überschuldet, daraus folgere ich, dass Kredite keine Kredite sind, sondern reine Transfers. Was wir erleben, ist der Eintritt in eine Transferunion. Gegenüber den Wählern und Steuerzahlern muss dies offengelegt werden.
Wird die Bevölkerung belogen, was die Griechenland-Hilfe betrifft? Lügen ist ein starkes Wort. Aber die Mechanismen sind furchtbar undurchschaubar geworden, die Bevölkerung versteht kaum mehr, um was es geht. Weil das Thema aber jeden fundamental betrifft, muss Klarheit geschaffen werden.
Wie gross ist die Solidarität in Deutschland gegenüber Griechenland noch? Die Bevölkerung in Deutschland ist tendenziell proeuropäisch und bereit, eine gewisse Solidarität zu leisten. Diese ist allerdings nicht grenzenlos. Zurzeit ist die Hilfe Griechenlands ein Fass ohne Boden. Wäre dies der Bevölkerung bewusster, dann würde es diesem Vorgehen kaum beipflichten.

Deutschland trägt 22 der 84 Milliarden Eurohilfen. Wird die Unterstützung Deutschlands zu wenig gewürdigt? Ja. In Griechenland werden Deutschland und die anderen grossen Geberländer schon länger nur noch für die Auflagen verantwortlich gemacht. Sie vergessen, dass ohne die Unterstützung die Einschnitte wohl noch drastischer ausfielen.
Sie selbst sind nicht für weitere Hilfspakete und sympathisieren mit dem Vorschlag Schäubles: Ein Ausstieg aus der Eurozone auf Zeit. Weshalb? Die Reformen werden nicht funktionieren. Die griechische Regierung und ein grosser Teil der Bevölkerung lehnen die Auflagen der Kreditgeber ab. Unter dieser Voraussetzung wäre ein zeitlich beschränkter Austritt aus dem Euro bei einem gleichzeitigen Verbleib in der Eurozone die beste Lösung. Europa würde damit nicht auseinanderfallen. Diese Behauptung ist falsch. Ein Verbleib mit neuen Hilfen würde die Haushalte der Geberländer spürbar belasten.
Was wären die Vorteile eines Grexits? Griechenland würde wettbewerbsfähiger, billiger und attraktiver. Die mit dem Austritt verbundene Abwertung würde dazu führen, dass der wichtigste Wirtschaftszweig des Landes, der Tourismus, deutlich gestärkt würde. Ausserdem werden die Griechen mehr heimische Produkte und weniger Importgüter kaufen. Der Leistungsbilanzsaldo würde sich verbessern.
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