«Die Amerikaner geben sich als Schurkenstaat»
Am 11. Januar jährt sich die Gründung des US-Gefängnisses Guantánamo zum 10. Mal. UNO-Richter Stefan Trechsel kritisiert die Art, wie die USA den Terrorismus bekämpfen. Die Schweiz allerdings habe gut gehandelt.
Das US-Gefangenenlager Guantánamo steht als Symbol für die weltweite Missachtung der Menschenrechte im letzten Jahrzehnt, sagt der Schweizer UNO-Richter und Strafrechtsprofessor Stefan Trechsel. Der Schweiz gibt er für ihr Handeln in dieser Zeit aber gute Noten.
Die Jahre seit der Eröffnung Guantánamos am 11. Januar 2002 auf Kuba seien «ein herber Rückschlag für die Kultur der Menschenrechte», sagt Trechsel im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda. Der Respekt für die persönliche Freiheit und die Menschenwürde ist laut dem Richter am UNO- Kriegsverbrechertribunal für Ex-Jugoslawien in Den Haag «erheblich gefährdet».
Die USA delegitimieren sich selbst
Die USA würden mit ihrer umstrittenen Bekämpfung des Terrorismus die Anstrengungen untergraben, das Rachebedürfnis der einzelnen Opfer durch den Rechtsstaat in einem fairen Prozess zu befriedigen. «Nur die Wahrung der Grundrechte verspricht den Menschen längerfristig ein friedliches Zusammenleben», ist Trechsel überzeugt.
«Bei der Bekämpfung von Terrorismus geben sich die Amerikaner als Schurkenstaat.» Mit Geheimgefängnissen, Folter und illegalen Festnahmen delegitimiere sich das Land selber. Als ganz schlimm und gegen die Folterkonvention verstossend bezeichnet der Richter US- Präsident Barack Obamas Entscheid, die Verantwortlichen für die Folter auf Guantánamo nicht gerichtlich zu belangen.
Auch die Tötung Osama Bin Ladens sei nicht rechtsmässig erfolgt: «Das war Mord», erklärt Trechsel. Durch solche Taten habe die Glaubwürdigkeit der USA im letzten Jahrzehnt stark gelitten. Mit dem Prinzip «Der Zweck heiligt die Mittel» trieben die USA arbeits- und perspektivenlose junge Menschen gleich scharenweise in die Arme von fundamentalistischen Organisationen.
Gutes Zeugnis für Europa
Europa und insbesondere der Schweiz stellt Trechsel, der seit sechs Jahren in den Niederlanden lebt, ein gutes Zeugnis aus. Der Kontinent habe sich dem von Ex-US-Präsident George W. Bush geführten «Krieg gegen den Terror» zwar nicht entziehen können. Die Verletzungen der Menschenrechte hielten sich aber «einigermassen im Rahmen».
Die Gefahr von Entgleisungen sei auch in Europa immer noch hoch, sagt Trechsel. Allerdings habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Überschreitungen bisher vielfach korrigiert. Die Richter verfügten, dass Grundrechte wie das Recht auf Information über Vorwürfe sowie das Recht auf Anhörung gewahrt bleiben müssen.
Für die Schweiz sehe die Bilanz gar noch besser aus. «Ich kenne kein Urteil, in dem der EGMR die Schweiz wegen der Verletzung der Menschenrechte bei der Bekämpfung von Terrorismus rügt», sagt Trechsel. Auch blieb die Schweiz bisher vernünftig und vermied Gesetzesanpassungen, die im Namen des Kampfes gegen den Terror die Grundrechte der Menschen missachtet hätten.
Europa war durch geheime Gefängnisse und Überflüge von illegal festgehaltenen Häftlingen durch die CIA in die Kritik geraten. Mehrere europäische Länder duldeten die Geheimtransporte oder beteiligten sich sogar aktiv an ihnen.
Nach Ansicht des Sonderberichterstatters des Europarats, dem ehemaligen FDP-Ständerat Dick Marty, dienten auch einige Flüge über die Schweiz der Verschleppung von Terrorverdächtigen.
Zweifel an Schliessung Guantánamos
Doch die Zeichen für eine bessere Achtung der Menschenrechte stehen schlecht: Erst Mitte Dezember 2011 erliessen die USA ein neues Gesetz, mit dem Terrorverdächtige auch ohne Prozesse unbegrenzt in Haft gehalten werden dürfen. «Ein weiteres Beispiel dafür, wie sich die USA über Völkerrecht und die Menschenrechte hinwegsetzen», sagt Trechsel.
Der Richter zweifelt daran, dass Guantánamo wie von Obama versprochen bis zu den Präsidentschaftswahlen im Herbst 2012 geschlossen wird. Zu gross seien die Widerstände innerhalb der USA, zu klein die Aussicht, dass Obama mit einer Schliessung bei der Wiederwahl Stimmen holt. «Ich glaube an Obamas guten Willen, aber ich zweifle, ob er ihn durchsetzen kann.»
SDA/wid
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