Die Angst vor dem zweiten Haircut
Die Troika erwägt einen zweiten Schuldenschnitt für Athen. Dies käme vor allem die deutschen Steuerzahler teuer zu stehen. Wolfgang Schäuble versucht zu beruhigen und bringt einen alternativen Rettungsvorschlag ins Spiel.

Es ist bloss ein Vorschlag, doch er sorgt in den Euroländern für Aufregung: Die Troika erwägt gemäss Informationen von «Spiegel» einen weiteren Schuldenschnitt für Athen.
Dass Geldgeber in Griechenland auf ihre Forderungen verzichten müssen, ist in dem Sinne nichts Neues. Anfang des Jahres wurden dem Land bereits mehr als 50 Prozent der Schulden erlassen. Betroffen waren damals private Gläubiger – nach langem Ringen schrieben Banken und Versicherungen aus ganz Europa letztlich «freiwillig» mehr als 100 Milliarden Euro zugunsten des verschuldeten Staates ab.
Deutschland hat schon 34 Milliarden Euro eingeschossen
Von einem zweiten Schuldenschnitt wären nun vor allem öffentliche Geldgeber betroffen. Das ist politisch heikel, weil nun erstmals Steuerzahler direkt für die Finanzmisere in Athen aufkommen müssten. Hauptsächlich in Eurostaaten, die in den vergangenen Jahren Milliarden nach Griechenland überwiesen haben. Gemäss «Spiegel» sind es zusammen mit Hilfen des IWF bereits 149 Milliarden Euro.
Deutschland wäre vom Schuldenschnitt besonders stark betroffen. Mit tatkräftiger Mithilfe der Steuerzahler hat das Land 34 Milliarden Euro eingeschossen – so viel wie kein anderer Staat. Betreffend der Griechenland-Politik geniesst die Regierung von Angela Merkel im Volk ohnehin wenig Kredit. Viele können nicht einsehen, weshalb Deutschland für die Schulden anderer Staaten aufkommen soll. Müssten die Steuerzahler nun auch noch direkt bluten, könnte dies das Fass zum Überlaufen bringen.
Schäuble beschwichtigt
Dessen ist sich auch Wolfgang Schäuble bewusst. Gestern versuchte der deutsche Finanzminister zu beschwichtigen: «Man gibt einem Schuldner, bei dem man gerade seine Forderungen nicht bedient bekommt, nicht neues Geld», sagte der Finanzminister im Deutschlandfunk. Eine Diskussion um einen öffentlichen Schuldenschnitt habe «wenig mit der Realität in den Mitgliedsstaaten der Eurozone zu tun.» Bei dem im vergangenen Jahr vorgenommenen Schuldenschnitt für private Gläubiger hätten die Euroländer garantiert, dass es dabei bleibe.
Die Troika-Vertreter präsentierten ihren Vorschlag vergangenen Donnerstag einem Ausschuss von Spitzenbeamten der Finanzministerien der Eurozone-Länder. Dabei stiess der Plan bereits auf Widerstand einer Reihe von Staaten.
Schuldenrückkaufprogramm als Alternative
Weil ein Fallenlassen von Griechenland zurzeit ebenfalls tabu scheint, sitzen die Gläubigerländer der Eurozone in der Falle. Schäuble schwebt nun aber eine Rettungsalternative vor, die er gestern ebenfalls gegenüber dem deutschen Rundfunk erläuterte: «Ein Schuldenrückkaufprogramm für Griechenland ist eine Überlegung, die man seriöserweise anstellen kann.» Demnach würde Athen neue Kredite bekommen, mit denen es alte Anleihen zum Marktwert zurückkaufen könnte. Mit einem Einsatz von einem Euro aus neuen Krediten liessen sich so Altschulden im Nennwert von 1,50 Euro ablösen.
Der Bundesfinanzminister betonte, das grösste Problem Griechenlands sei der Mangel an Glaubwürdigkeit. Ohne Vertrauen werde das Land nicht wieder Zugang zu den Finanzmärkten finden. In den Verhandlungen über die Freigabe der dringend benötigten Hilfstranche in Höhe von 31,5 Milliarden Euro müssten daher «überzeugende Lösungen» gefunden werden – wie etwa ein Kontrollmechanismus und ein Korrekturmechanismus, damit das im Gegenzug für die Hilfe von Athen zugesagte Sparprogramm auch wirklich umgesetzt werde.
150 neue Rettungsvorschläge
Laut «Spiegel online» verlangt die Troika von Griechenland Dutzende neue Massnahmen. In einem Zwischenbericht würden 150 neue Vorschläge unterbreitet, darunter eine Lockerung des Kündigungsschutzes, eine Aufweichung des Mindestlohns und eine Aufhebung bestimmter Berufsstandsprivilegien. Die Forderung nach einem zweiten Schuldenschnitt ist dabei sicher die unpopulärste. Doch wie die bisherige Bewältigung der Griechenland-Krise zeigte: unrealistisch ist nichts. Vielleicht schwebte bei Schäuble auch bereits eine leise Vorahnung mit, als er gestern sagte, dass es jetzt «ein bisschen unrealistisch» sei, über weitere Schuldenschnitte zu reden. Hundertprozentige Überzeugung klingt anders.
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